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Und das kann auch nicht anders sein. Denn was ist denn überhaupt die Poesie? Doch gewiß nicht bloße Schilderung oder Nachahmung der Gegenwart und Wirklichkeit. Ein solches Übermalen der Natur verwischt vielmehr ihre geheimnisvollen Züge, gleich wie ja auch ein Landschaftsbild nur dadurch zum Kunstwerke wird, dass es die Hieroglyphenschrift, gleichsam das Lied ohne Worte, und den Geisterblick fühlbar macht, womit die verborgene Schönheit jeder bestimmten Gegend zu uns reden möchte. Auch die noch so getreue Darstellung der Vergangenheit gibt an sich noch keine Poesie, wenn der historische Stoff nicht durch überirdische Schlaglichter belebt und gewissermaßen erst wunderbar gemacht wird; und jedenfalls wird sie stets an Genialität der wirklichen Geschichte weit nachstehen müssen, die der göttliche Meister nach ganz anderen ungeheueren Dimensionen und Grundrissen dichtet, wofür wir hienieden keinen Maßstab haben. Aber ebensowenig darf die Poesie auch anderseits eine unmittelbare Darstellung der übersinnlichen Welt unternehmen wollen; denn diese entzieht sich, wie der Abgrund des gestirnten Himmels in unbestimmte Lichtnebel zerfließend, in ihrer unermeßlichen Ferne und Höhe beständig der Kunst und ihren irdischen Organen; wie denn an dieser Aufgabe auch wirklich die größten Dichter, Milton, Klopstock u.a. gescheitert sind. Die Poesie ist demnach vielmehr nur die indirekte, d.h. sinnliche Darstellung des Ewigen und immer und überall Bedeutenden, welches auch jederzeit das Schöne ist, das verhüllt das Irdische durchschimmert. Dieses Ewige, Bedeutende ist aber eben die Religion und das künstlerische Organ dafür das in der Menschenbrust unverwüstliche religiöse Gefühl.

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