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Vorstehende Skizze, die leicht noch ins Unendliche fortgeführt werden könnte, mag hinreichen, um die oben erwähnte große Mannigfaltigkeit unsrer poetischen Literatur anzudeuten. Sie zeigt aber auch, dass auf diesem vergleichenden Wege, anstatt eines geschlossenen Gesamtbildes dieser Literatur, vielmehr eben nur ihr Zerfall in sehr verschiedene verwandtschaftliche Gruppen klarzumachen ist. Es gibt bekanntlich mehrere Gesichtspunkte, unter welchen der Wert und die Gestaltung einer Literatur überhaupt sich auffassen läßt.

Der unfruchtbarste derselben ist wohl der ästhetische, die Beurteilung nämlich nach einer allgemeinen Theorie der Kunst. Eine poetische Zeit denkt nicht an ihre Schönheit, weil sie dieselbe von selbst besitzt, gleich wie ein Gesunder seine Gesundheit nicht merkt. Erst wenn die Schönheit abhanden gekommen, wird die verlorene absichtlich gesucht oder philosophisch konstruiert, und so entsteht die Ästhetik. Wir hatten allerdings zu jeder Zeit auch eine ästhetische, d.h. nach den eben gangbaren Schönheitsregeln gemachte Poesie. Aber jeder wahre Dichter hat, meist ohne es zu wissen, seine eigene Ästhetik. Jene allgemeinen Theorien sind begreiflicherweise einem beständigen Wechsel unterworfen und zu subjektiv, um als Norm zu gelten, und es wäre ebenso ungerecht als unhistorisch, irgendeine entferntere Periode der Poesie nach der gegenwärtig eben beliebten Theorie abschätzen zu wollen. Man denke hier z.B. nur an die unübersteigliche Kluft zwischen Gottscheds und Lessings Lehre, oder in neuerer Zeit auch zwischen Jean Paul und Solger, von denen jeder in gewissem Sinne recht hat oder doch recht zu haben glaubte.

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