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Und was war denn faktisch die hochgepriesene Wirkung für Deutschland? Zunächst jene lächerliche gelehrte Hofpoesie, die an die Stelle der vertriebenen Heiligen die heidnischen Götter mit Haarbeutel und Stahldegen setzte und ihren alleruntertänigsten Pegasus vor den Triumphwagen krähwinkliger Heroen und Mäzenaten spannte. Sodann das große Mißverständnis der Aristotelischen Poetik, das uns langehin zu ziemlich possierlichen Affen der französischen Bühnenregelmäßigkeit machte. Später dann wieder die sogenannte Poesie der Grazien, eine salondüftelnde Lebensweisheit und liederliche Leichtfertigkeit, welche wir füglich entbehren konnten. Und endlich durch die Gräkomanen eine Verrenkung und Verzerrung der Sprache, die mit Klopstocks Oden und Bardieten beginnt und bei Voß eine schreckenerregende Virtuosität erreicht; ja man kann in diesem Betracht gewissermaßen auch Platen noch zu den philologischen Dichtern rechnen.

Wir sind weit entfernt, die sonnenklare altklassische Schönheit und ihren wohltätigen Einfluß, namentlich in formaler Hinsicht, zu verkennen. Das gründlichere Studium des Altertums hat ohne Zweifel zur Bildung unserer Sprache, da sie eben in inneren und äußeren Kämpfen beispiellos verwildert war, wesentlich beigetragen und uns in einer engen philisterhaften Zeit den kräftigenden Blick auf eine größere, heroische Zeit wieder eröffnet. Aber ebenso entschieden müssen wir die Abgötterei anklagen, die mit dem Griechentum, als dem einzig Würdigen, getrieben wurde und uns ganz übersehen ließ, dass unsere eigene Sprache früher einen Wohllaut, eine Anmut und dichterische Kraft besaß, die der Entwickelung und Sorgfalt nicht weniger fähig und wert waren, sowie dass das Mittelalter uns noch häufigere und größere Vorbilder von Heldenmut, Freiheit und Tugend darbietet, deren moralische Gewalt über die jugendlichen Gemüter um so wirksamer sein mußte, da sie uns innerlich verwandt und verständlicher sind als die der alten Welt. Und so hat denn diese Altertümelei in der Tat großenteils den nationalen Quietismus verschuldet, der um Hekuba weint und für Glück und Unglück des deutschen Vaterlandes kein rechtes Herz hat. Das Große der alten Welt ist das Reinmenschliche, das allen Völkern gemein ist, bei jedem Volke aber sich naturgemäß anders gestalten muß, um wirklich lebendig zu werden. Jedenfalls hat sonach durch jenes Sichversehen in das griechische Wesen unsere ganze Poesie etwas Fremdes, Gelehrtes und Irreligiöses erhalten, das sie unpopulär und zu einem bloßen Steckenpferde der sogenannten Gebildeten machte. Auch haben unsere größten Dichter, wie Goethe, Schiller und Tieck, jederzeit ein gut Teil Mittelalter sich reserviert, und namentlich Goethes bedeutendste Werke: Götz, Tasso und Faust, sind grade diejenigen, auf die das Altertum am wenigsten influiert hat.

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