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Tiefer schon greift der nationale Gesichtspunkt, die Würdigung nämlich einer Literatur nach ihrer Übereinstimmung mit dem Geiste der Nation, welcher sie angehört. Wir haben oben den deutschen Nationalgeist als einen vorzugsweise nach innen gewandten bezeichnet und als natürliche Folge davon die freie Ausbildung individueller Eigentümlichkeiten erkannt, woraus wieder die auffallende Mannigfaltigkeit unserer Literatur sich selbst erklärt. Und in diesem Sinne dürfen wir allerdings, wenn wir von weltlichen Interessen und untergeordneten Parteizwecken absehen, die deutsche Literatur unbedenklich eine nationale nennen. Die italienische Poesie ging schon sehr früh auf die Denkart und Kunstformen ihrer klassischen Vorzeit zurück, die aber, bei der seitdem durch das Christentum völlig veränderten Weltlage, nicht mehr wahrhaft national sein konnte; während in der englischen der Einfluß der heterogensten, einander oft gradezu widersprechenden Völkerelemente, mit einem Wort: die geistige Komposition eines Mischvolkes sich häufig fühlbar macht und bis heut noch nicht vollkommen beendigt und geschlossen scheint. Unter allen ist ohne Zweifel die spanische Poesie die nationalste; aber sie ist es auf eine ganz andere Weise als die unsere. In Spanien ist es die Freude und begeisterte Verherrlichung einer durch Jahrhunderte erkämpften Errungenschaft von Religion, Ehre und Ritterlichkeit, welche ihr prächtiges, aber durchaus einförmiges Zauberlicht über alle Dichtungen und Dichter wirft, die sich daher nur durch die größere oder geringere Kunstvollendung voneinander unterscheiden. In Deutschland dagegen ist eben das Ringen selbst, der sich beständig erneuernde Kampf um jenes Eldorado, und, da jeder einsam für sich kämpft, die totale Verschiedenheit das Charakteristische und Nationale. Betrachten wir aber diesen Kampf genauer, so erkennen wir, dass derselbe, wie wir auch schon aus dem oben angedeuteten Zusammenhange der Dichtkunst mit der Philosophie ersehen, in seinem Grundzuge unausgesetzt grade de höchsten Gütern des Lebens, der Erkenntnis Gottes und der überirdischen Dinge gilt. Der durchgreifende Gesichtspunkt zur Beurteilung der deutschen Literatur, der hiernach zugleich auch den nationalen mit umfaßt, wird also nur der religiöse sein können.

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