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Bald darauf übte die Kantsche Philosophie einen unverkennbar deprimierenden Einfluß auf die deutsche Dichtung. Es konnte auch füglich nicht anders sein. Indem diese Lehre die Poeten an der Schwelle des Allerheiligsten von der Erkenntnis Gottes und der überirdischen Dinge zurückwies, verwandelte sie notwendig die Religion in bloße Moral, welche, so isoliert vom Glauben und dem lebendigen Zusammenhange mit den göttlichen Dingen, zu einem abstrakten Tugend-Stoizismus erstarrte. Und diese abstrakte Moral sehen wir denn bei Kosegarten idyllisch schwärmen, in Tiedges Urania vornehm vom Katheder dozieren und mit Schillers Marquis Posa die Bretter betreten, um endlich in zahllosen pragmatisch-psychologischen Romanen und bürgerlichen Schauspielen ziemlich seicht wieder zu verlaufen. Es ist daher ebenso natürlich als charakteristisch, dass, mit Ausnahme von Schiller, alle bedeutenden Dichter jener Zeit, Herder, Goethe und Jean Paul, entschiedene, zum Teil erbitterte Gegner Kants waren, und Schiller selbst wurde durch seine fast leidenschaftliche Teilnahme für Kant ohne Zweifel in seiner poetischen Produktion mehr aufgehalten als gefördert. – Inzwischen hatte schon früher eine ungestüme, philosophisch exaltierte Jugend voraneilend die extreme Lehre poetisch angekündigt, welche sodann von Fichte wissenschaftlich formuliert werden sollte. Wir meinen die Sturm- und Drangperiode der Originalgenies und Starkgeister in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts: das leibhaftige absolute Ich, das in seinen Gedichten, Romanen und Schauspielen die ganze Vergangenheit ausstrich und die Weltgeschichte von vorn anfangend aus eigner Machtvollkommenheit sich selber Moral, Sitte und Religion machen wollte. – Der Naturphilosophie endlich entsprach unsere neuere Romantik. Gleich jener Philosophie hat die Romantik aus dem beschränkten Erfahrungsgebiete Kants sowie von der stofflosen Luftspiegelung der Fichteschen Ichheit, kühner wie beide, wieder zu der innern Wahrnehmung des Übersinnlichen und der in der äußeren Welt waltenden ewigen Naturkraft sich zurückgewendet, sie ist aber auch sehr häufig der naheliegenden Gefahr dieser Philosophie, dem Irrtum einer phantasierenden Naturvergötterung, nicht entgangen. Novalis versuchte es, auf diesem Wege durch eine tiefsinnige Symbolik alles Lebens eine Weltwissenschaft poetisch darzustellen, während Werner in seinen frühesten Dramen in pantheistischer Leere abirrte. Am innigsten unter den Dichtern schließt sich wohl Goethe, ohne es zu wissen und zu wollen, der naturphilosophischen Anschauung an, indem er überall unbefangen und unmittelbar in das Leben greift und uns daher in den klar durchsichtigen äußeren Erscheinungen mehr oder minder die verborgene Weltseele enthüllt, wenngleich er uns nirgends bis zu dem letzten wahren und eigentlichen Grund der Dinge blicken läßt. – Welchen Einfluß die Hegelsche Philosophie auf die Poesie ausübt, läßt sich jetzt noch kaum bestimmen, da sie ihren Kreislauf noch immer nicht abgeschlossen hat. Auffallen jedoch muß es, dass ihr die moderne Poesie des Hochmuts und des Hasses auf der Ferse gefolgt ist.

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