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Zu allen diesen philosophischen Evolutionen nun stand unsere Poesie beständig in einem wahlverwandtschaftlichen Verhältnis, entweder auf ihren besondern Wegen nachfolgend oder als Divination, Ahnung, Aperçu, gleichsam prophetisch ankündigend. So sehen wir sie schon im Mittelalter in jene zwei Hauptstrahlen der vom Altertum ererbten Philosophie sich spalten. Der Geist des Aristoteles zeigt sich in einer oft ganz trockenen scholastischen Richtung, die, wo sie namentlich dogmatische Gegenstände berührt, nicht selten sogar ans Sophistische streift; er zeigt sich in der haarspaltenden Kasuistik des überkünstlichen Minnegesangs und scheint in der dialektischen Verstandespoesie des berühmten Wartburgkriegs die Hauptrolle gespielt zu haben. Bei weitem gewaltiger und tiefer dagegen geht die andere, Platonische Anschauungsweise durch die größern und bedeutenderen Dichtungen des Mittelalters in der mystisch-allegorischen Symbolik, womit damals Geschichte und Sage z.B. in den Gedichten von König Artus' Tafelrunde und dem Heiligen Gral aufgefaßt wurden. – Als so dann die mathematische Philosophie aufkam, ward auch sofort der freie Dichterwald zu einem wunderlichen französischen Garten mit geometrisch abgezirkelten Bäumen, Alleen und Scherbenbeeten verschnitten, wo die Musen in Reifröcken die ungezogene Natur bewachten, ja unter dem spärlichen Blumenflor sogar einzelne Gedichte vermittelst künstlicher Gruppierung von kurzen und langen Versen allerlei allegorische Figuren, als: Palmbäume, Tempel usw., abbilden sollten. – Der Herrschaft von Descartes und Locke aber, die durch das Medium des Materialismus notwendig zu einer epikureischen Auflösung führte und die wir daher als die Philosophie der Sinnlichkeit bezeichneten, entsprach ebenso eine Poesie der Sinnlichkeit. Jene Philosophie ist zwar glücklicherweise in Deutschland niemals allgemein geworden; dennoch tauchen auch bei uns vereinzelte Symptome derselben auf, in einem völlig dissoluten, atheistischen und sittenlosen »Seelenpriapismus«, einem Naturdienst, welcher Wollust und Andacht als Schwesterkinder poetisch feiert. Wir erinnern hier nur an Mauvillons Freundeskreis, der fanatisch gegen alle und jede Religion gerichtet war; an Unzer, an Heinses Jugendschriften, an den Freiherrn von der Goltz und dessen Gedichte in Grécourts Geschmacke.

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