Читать книгу Das Rennen gegen die Stasi. Die Geschichte des Radrennfahrers Dieter Wiedemann онлайн

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Während Moskau gegenüber Washington die Muskeln spielen ließ und Prag und Warschau unterjochte, während Ost-Berlin sich in einem Dauerzwist mit Bonn beharkte, wurde auch der Friedensfahrt immer mehr geopolitischer Ballast aufgebürdet. Das Rennen mochte sich offiziell noch immer auf den Geist der Détente stützen, doch ebenso sehr gründete es auch seit jeher auf den politischen Auseinandersetzungen, die Europa ideologisch in zwei Hälften teilten, und war aufs Engste mit diesen verwoben. Und so wurde die Friedensfahrt immer mehr zur perfekten Metapher des Ost-West-Konflikts: zum sportlichen Krieg innerhalb des großen Kalten Kriegs. Trotz der schönen utopischen Idee, die sie repräsentierte, war die Friedensfahrt nun nicht mehr als ein Spiegelbild jenes ideologischen Mahlstroms, aus dem heraus sie geboren worden war und der sie irgendwann unweigerlich vergiften musste. Wie hätte es, angesichts des einmaligen Kontextes, in dem dieses Rennen stand, auch anders kommen sollen?

Selbst wenn die Popularität des Radsports in der DDR im Laufe der Jahrzehnte durchaus Schwankungen unterworfen war, blieb die Friedensfahrt bis in die 1980er Jahre ein sportliches Ereignis mit Leuchtturmwirkung. Überdies hatte auch jene Radsportkultur, die in der Zeit nach der Wende große deutsche Radrennfahrer wie Jan Ullrich oder Erik Zabel hervorbrachte, ihre Wurzeln keineswegs im wiedervereinigten Deutschland. Die Saat für die großen Erfolg dieser Fahrer, und auch die zahlreicher ihrer Kollegen, wurde bereits in einer ganz anderen Zeit ausgebracht, in einem Land, das nun nicht mehr existierte. Sie wurden – es lässt sich nicht von der Hand weisen – in der DDR gemacht.

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