Читать книгу Das Rennen gegen die Stasi. Die Geschichte des Radrennfahrers Dieter Wiedemann онлайн

41 страница из 48

Ende Juni kam es zum Posener Arbeiteraufstand. Zahleiche Zivilisten verloren bei den Kämpfen ihr Leben, unter ihnen ein 13-jähriger Junge namens Romek Strzalkowski. Sowjetische Truppen schlugen die Revolte mit Panzerunterstützung blutig nieder. Die Zensur der kommunistischen Behörden hielt alle Informationen über die Geschehnisse 25 Jahre lang unter Verschluss und unterband alle etwaigen Recherchen, so dass das Ereignis im Westen weitgehend in Vergessenheit geriet. In Polen aber wusste jeder, wer Stanislaw Królak und Romek Strzalkowski waren und wofür sie standen. Kurze Zeit später wurde der Ungarische Volksaufstand auf den Straßen Budapests in ähnlicher Weise niedergeschlagen, und fünf Jahre darauf besiegelte der Bau der Berliner Mauer das Schicksal von Millionen Menschen. Osteuropa wurde hermetisch gegenüber dem Westen abgeriegelt.

1972 gewann der Tscheche Vlastimil Moravec die womöglich größte und symbolkräftigste Ausgabe der Friedensfahrt. In einer Zeit, in der die Menschen in der Tschechoslowakei noch immer ganz unter dem Eindruck der Ereignisse des Prager Frühlings standen, lieferte er sich in der Gesamtwertung einen Kampf bis aufs Messer mit dem sowjetischen Fahrer Wladislaw Neljubin. Vier Mal wechselte im Laufe der Rundfahrt das Gelbe Trikot zwischen den beiden. Schließlich rettete Moravec, unterstützt von einer Koalition der Willigen, zwei Sekunden Vorsprung ins Ziel der letzten Etappe. Das durchschnittliche Tempo dieser Friedensfahrt betrug bemerkenswerte 42,6 km/h. Ungefähr zur gleichen Zeit erreichte Eddy Merckx bei einem Giro d’Italia, bei dem er alle Herausforderer um Längen dominierte, einen Schnitt von gerade mal 36,1 km/h. Radsportfans in aller Welt beschwören bis heute immer wieder die großen Duelle herauf, die sich Merckx mit Gimondi lieferte, Coppi mit Bartali oder Anquetil mit Poulidor. Aber was den Aspekt der Dramatik betrifft, die heimtückischen Manöver und das spannende sportliche Schauspiel, wurde das Radsportpublikum im Westen nie Zeuge eines Duells, das auch nur annähernd an die Friedensfahrt von 1972 heranreichte.

Правообладателям