Читать книгу Das Rennen gegen die Stasi. Die Geschichte des Radrennfahrers Dieter Wiedemann онлайн

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Zuvor hatte die Sportgemeinschaft der Welt die DDR gemieden und wollte möglichst nichts mit ihr zu tun haben, aber die Friedensfahrt entwickelte sich zum Katalysator internationaler Anerkennung. Das Rennen wurde immer größer, so dass man 1954 insgesamt 16 Nationalmannschaften aus aller Welt begrüßen durfte. Auch der amtierende UCI-Präsident Achille Joinard war geladen und zeigte sich beeindruckt von dem, was er geboten bekam. Nie zuvor habe er erleben dürfen, dass man sich in solch mitreißender Weise um die Fahrer gekümmert habe wie bei diesem Rennen, sagte er und hieß die Friedensfahrt begeistert im Schoße des Weltradsports willkommen. Allein die Tour de France, fügte er hinzu, könne es als sportliches Schauspiel mit der Drei-Länder-Fahrt aufnehmen, und dort seien auch lediglich acht Nationen vertreten. Außerdem habe sich der Radsport – oder irgendein anderer Sport – bei keiner anderen Veranstaltung solch hohen moralischen Prinzipien verpflichtet.

Bei der Fußball-WM 1954 in der Schweiz war die DDR nicht vertreten. Westdeutschland hingegen erreichte unerwartet das Endspiel. Vor dem Finale galt die Nationalelf der Bundesrepublik als krasser Außenseiter gegenüber den seit Jahren ungeschlagenen Ungarn, doch irgendwie schaffte sie es, den WM-Pokal zu gewinnen. Das »Wunder von Bern« erwies sich, ebenso wie im Jahr zuvor der Erfolg der DDR-Mannschaft bei der Friedensfahrt, als ein Ereignis, das maßgeblich dazu beitrug, die Idee einer neuen Nation in den Köpfen der Menschen zu verankern. Das Neue Deutschland diskreditierte den WM-Triumph des erklärten Klassenfeindes, wie nicht anders zu erwarten, in schändlicher Manier als einen neuerlichen Sieg des Faschismus. Aber ungeachtet dessen war es der Gewinn der Fußball-Weltmeisterschaft 1954, der die Bundesrepublik Deutschland in kultureller und emotionaler Hinsicht für Millionen Menschen erst wirklich Realität werden ließ. Im Herbst 1955 trat die BRD der NATO bei, die DDR dem Warschauer Pakt. Ob es dem gemeinen Volk nun gefiel oder nicht, die Idee eines geeinten Deutschlands rückte in immer weitere Ferne.

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