Читать книгу Kulturtheorie. Einführung in Schlüsseltexte der Kulturwissenschaften онлайн

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In gewisser Weise hat sein Kulturbegriff, der dezidiert über den engen Bereich der KunstKunst, Kunstwerk-Kultur hinausgeht (Kultur III → Kap. 1), Ähnlichkeiten mit jenem EliotsEliot, Thomas S. (der, wenn auch aus konservativer Perspektive, durchaus das Phänomen der modernenModerne, modern, -moderne Kultur ins Auge fasst) und Raymond WilliamsWilliams, Raymond: Kultur bedeutet symbolische und reale Ausgestaltung der LebensweltLebenswelt, die sich in unverwechselbaren LebensstilenLebensstil manifestiert, die wiederum durch die moderne Welt geprägt sind – durch sich wechselseitig bedingende Phänomene wie GeldGeld, IndividualitätIndividualität, ModeMode und Rationalität.

Georg SimmelSimmel, Georg (1858–1918) war – wie Ernst CassirerCassirer, Ernst – jüdischer Herkunft, ein Freigeist, ein Sammler; er unterhielt enge Beziehungen zum kulturkonservativen George-Kreis, war aber wohl selbst eher ein Liberaler und darüber hinaus ein keineswegs polemischer oder respektloser Kritiker des MarxismusMarxismus, marxistisch. Philosophisch steht er dem Neukantianismus und der PhänomenologiePhänomenologie nahe. Das lässt sich an den Leitmotiven seiner Kulturtheorie sehr gut demonstrieren: Dignität der einfachen DingeDinge. Schlüsselbegriffe seines Denkens sind ferner Begriffe wie FunktionFunktion, RelationRelation und Wert. SimmelSimmel, Georg hat auch als Erster jenes Phänomen beschrieben, das man in der Systemtheorie als AusdifferenzierungAusdifferenzierung, ausdifferenziert bezeichnet. Es besagt, dass moderne Gesellschaften, die in mancher Hinsicht kulturell womöglich homogener sind als vormoderneModerne, modern, -moderne (SpracheSprache, allgemeine BildungBildung), funktional besehen komplexer sind und im Verlauf ihrer Entwicklung immer neue gesellschaftlicheGesellschaft, gesellschaftlich Subsysteme mit eigenen Spielregeln hervorbringen. Die gegenwärtige Aktualität SimmelsSimmel, Georg hat freilich auch mit einer Haltung zu tun, die seit der PostmodernePostmoderne, postmodern nicht nur in intellektuellenIntellektueller, intellektuell Diskursen auffällt: AmbivalenzAmbivalenz. Dieser Terminus meint nicht einfach ein Sowohl-als-Auch, schon gar nicht eine bloße Kompromisshaltung, sondern eine Unentschiedenheit, die daher rührt, dass man sich einer Welt gegenüber sieht, deren produktive und problematische Aspekte nur zwei Seiten ein und derselben Sache sind. Zum Beispiel wird nicht selten, zumeist von konservativer Seite der Orientierungs- und WerteverlustWerteverlust in den modernen Zivilgesellschaften des Westens beklagt, aber zugleich ist dieser RelativismusRelativismus, relativ SimmelSimmel, Georg zufolge der Ausgangspunkt für unsere verhältnismäßig hohe Friedfertigkeit. SimmelsSimmel, Georg Radikalität als Kulturtheoretiker besteht gerade darin, an dieser Ambivalenz unbeirrbar festzuhalten. Sie bezeichnet die unmögliche dritte Position zwischen der Affirmation des Bestehenden und jenem pauschalen Unbehagen an der Kultur, das gerade in Deutschland – politisch rechts wie links – so prominent und prekär gewesen ist. Vor diesem Hintergrund ist jene IronieIronie zu verstehen, jener Vorbehalt gegenüber der Wirklichkeit, der diese vielleicht nicht vernichtet, aber doch relativiert. Georg SimmelsSimmel, Georg Theorie der modernen Kultur unterschlägt nicht den Preis, den wir für sie bezahlen.

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