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1924, Schwyz

Martha Farner, *1903

Im Vorsommer 1924 – ein unvergleichlich schöner Tag. Die Fenster im Parterre weit geöffnet zum Hof hinaus, ich hörte ein dünnes Stimmchen, es weinte. Darauf eine tiefe Frauenstimme, die sagte «Nenäi, Chindli, die Stäinli tüend dier nid wee. Lueg d Vögäli hend au ekäni Schue und singid nu derzue!» Wie schön, dachte ich, aber schon läutete die Hausglocke. Ich öffnete. Vor mir stand eine Frau mit einem kleinen Kind kaum älter als drei Jahre. Tränen bahnten ihren Weg über das schmutzige Gesichtlein. Die Hand lag in der seiner Mutter. Die Frau war klein von Wuchs und von einer dürren Magerkeit. Braun gebrannt die Haut, lachte sie mir entgegen mit dunklen Augen und langen Wimpern. Mutter und Kind waren barfuss. Der Rockschurz hing an ihr wie an einem Kleiderbügel, obschon sie hochschwanger war. Auf den ersten Blick sah ich es: Diese Frau war eine Feckerin. «Guten Tag, Frau», sagte sie, «ich bitte um die Ehre als Patin für mein sechstes Kind.» Noch die schöne Antwort von den Vögelein ohne Schuh in den Ohren, gab ich sofort meine Zusage. Als ich später dies meiner Mutter erzählte, freudig natürlich, sagte sie lächelnd: «Du dummes Kind, diese Frau hätte viel lieber eine Absage mit einem Fünfliber entgegengenommen, diese Leute machen das so.»

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