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So übermässig lang wie ihr Haar war auch das Goms, wo ihr Dorf lag. Ein ganz schwarzes Dorf, dessen Häuser sich dicht aneinanderdrängten und mit Eichhörnchenaugen auf einen Berg starrten, der auch ganz schwarz wurde, wenn das Wetter umschlug.

Als kleines Mädchen hatte man sie «Irrwisch» genannt; jetzt getraute man sich nicht mehr und sagte «Flavie», wie sie wirklich hiess. Aber auch jetzt noch wurde es heller, sobald sie die Dorfstrasse herunterkam.

Jeden Morgen ging sie zur Messe. Der Gemeindepriester schätzte sie hoch und führte sie als Beispiel an. Sie hatte fünf Brüder und zwei Schwestern. Der älteste Bruder war Missionar, der zweite Kartäuser, ein anderer Pfarrer im Unterwallis, der vierte Kapuziner, und der letzte studierte noch am Priesterseminar. Auch die beiden Schwestern waren geistlichen Standes. Die eine unterrichtete die Taubstummen im Kloster von Géronde, die andere lebte als Nonne im Kloster von Brig. Es hiess, Flavie habe sie alle dazu gedrängt, in einen ­Orden zu treten. Sie übte auf ihre Umgebung eine seltsame Macht aus. Es war eine solche Gewissheit in ihr, eine solche Willenskraft, gepaart mit einer grossen Sanftmut: Da blieb einem nichts anderes übrig, als sich zu fügen.

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