Читать книгу Inspiration Schweiz. 70 Autoren, Künstler, Musiker, Schauspielerinnen an 70 Schauplätzen онлайн
49 страница из 76
Martin Ebel
Vom Himmel kommt es,
zur Erde muss es
Johann Wolfgang von Goethe
Mit seinem Herzog wanderte Goethe zum Staubbachfall. Er regte ihn zu seinem Gedicht «Gesang der Geister über den Wassern» an.
Zweieinhalb Stunden braucht man heute aus dem geschäftigen Zürich bis nach Lauterbrunnen. Goethe, der von Basel kam, liess es 1779 gemächlicher angehen. Er wählte auch nicht die Direttissima. In neun Tagen tastete er sich über Moutier, Biel, Bern und Thun bis in das damals schon berühmte Trogtal vor, zu Fuss, in einem «engen Wägelgen» oder per Schiff. In seiner Begleitung: Diener mit Gepäcktieren, der «schöne Wedel» (Kammerherr Otto Moritz von Wedel) und Goethes Chef, der Herzog Ernst August, in dessen Dienst er seit vier Jahren in Weimar stand.
Goethe war dreissig, der Herzog zweiundzwanzig; das Alters- und Intelligenzgefälle kontrastierte mit dem ständischen Abstand, der zwischen einem Herzog und einem Bürgerlichen (auch wenn dieser Geheimrat und Minister war) damals zwangsläufig bestand. Eigentlich war das Verhältnis noch komplizierter: Goethe war zugleich Kumpel (in den Anfangsjahren hatten die beiden gewaltig über die Stränge geschlagen) und Fürstenerzieher; die Schweizer Reise sollte die Persönlichkeit des jungen Landesherrn durch gezielt ausgewählte Eindrücke – Natur, Kultur, Menschen – bilden und veredeln.