Читать книгу Inspiration Schweiz. 70 Autoren, Künstler, Musiker, Schauspielerinnen an 70 Schauplätzen онлайн

50 страница из 76

Das erforderte viel Fingerspitzengefühl und fiel Goethe nicht immer leicht. In einem Traum hatte er sich schon mit ihm überworfen und war ihm davongelaufen. Aber auch der Herzog hatte es nicht immer leicht mit Goethe, der ihm im November eine Tour auf den Furkapass abverlangte, durch tiefen Schnee und von einem Geier als einzigem Lebewesen begleitet. Lauterbrunnen war verglichen damit ein Kinderspiel. Man kam im Pfarrhaus unter, das dafür eingerichtet war, Touristen aufzunehmen: Und die gab es schon im ausgehenden 18. Jahrhundert durchaus. Das Tal mit seinen 72 Wasserfällen zählte zu den Pflichtstationen jeder ordentlichen Schweizreise. Highlight, das man damals nur noch nicht so nannte: der Staubbachfall mit seinem fast 300 Meter freien Fall.

Albrecht von Haller hatte ihn in seinem epochemachenden Lehrgedicht «Die Alpen» gewürdigt, aber den poetischen Text, den wir heute noch mit diesem Fall verbinden, schrieb natürlich Goethe: den «Gesang der Geister über den Wassern».

Irgendwann zwischen dem 9. und dem 11. Oktober 1779 muss er, auf den unmittelbaren Eindruck hin, die freien, reimlosen Verse niedergeschrieben haben; denn danach drängten sich mit der Grossen Scheidegg und den Reichenbachfällen schon neue Bilder dazwischen. Dem Brief an Charlotte von Stein, der am 14. Oktober von Thun abging, lag das Manuskript des Gedichts bei. «Kein Gedancke, keine Beschreibung noch Erinnerung reicht an die Schönheit und Grösse der Gegenstände, und ihre Lieblichkeit in solchen Lichtern Tageszeiten und Standpunckten.» Nur die Dichtung kann den Eindruck bewahren: indem sie ihn transformiert.

Правообладателям