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Blätter aus dem Brotsack. Tagebuch eines Kanoniers

Vom 1. September 1939 bis zum 17. Mai 1945 leistete Frisch in mehreren Etappen rund 650 Diensttage, das heißt er verbrachte ein knappes Drittel jener Jahre im Aktivdienst. Die Blätter aus dem Brotsack schrieb er hauptsächlich vom 1. September bis zum 18. Oktober 1939, sie erschienen im selben Jahr.161 Der Anlaß zum Text war, so Frisch, der Auftrag seines Hauptmanns, ein »Tagebuch unseres Grenzschutzes« zu verfassen.162

Die Blätter, »ein buntes Mosaik« (Korrodi), halten ohne streng strukturierten Zusammenhang unterschiedliche Ereignisse und Themen aus der Aktivdienstzeit fest: Nicht singend und aufschneidend zieht die Armee in den Dienst, sondern ernst und männlich. Nur – wie könnte es anders sein – eine junge Frau »verliert die Nerven und schwatzt.«163 In der Herzenstiefe des Kanoniers rumort Heldenpathos: »Was war uns der Friede, solange wir ihn hatten? Ohne die Finsternisse der Nacht, wie knieten wir vor der Sonne? Ohne das Grauen vor dem Tode, was begriffen wir jemals vom Dasein? Alles Leben wächst aus der Gefährdung.« Der Tod erscheint als die Chance zur ersehnten »Wandlung des Lebens«.164 Der »Gewinn des Lebens aus der Gefährdung« war bereits das Leitmotiv in Antwort aus der Stille gewesen. In den Blättern übernimmt der Krieg die Funktion des Nordgrats. Auch er erscheint als schicksalhafte Naturgewalt, die zur »unumgänglichen letzten Prüfung« zwingt, nicht aber als ein politischer Willensakt, den man verändern könnte. Nach dem Künstler Reinhart und dem Bürger Leuthold erscheint nun der Soldat als ein neuer literarischer und lebenspraktischer Entwurf Frischs.

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