Читать книгу Am Meer dieses Licht. Roman онлайн

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«Aber es ist doch Sommer, oder nicht?» Ich hatte ihm die Frage wirklich gestellt, ernsthaft. Die Jahreszeiten haben keine Form mehr, sie verfließen. Er antwortete nicht. Er setzte sich ein Stück weiter weg neben mich, und sein Hund legte sich auf seine Beine, die Pfoten auf beide Seiten ausgestreckt, die beiden sahen aus wie ein seltsames Tier mit einem Beinestern. Er bot mir in einer angeschlagenen Tasse Tee an, der bitter schmeckte. Er fing vom Wetter an, wovon sonst, und ich hatte Lust, seine zu langen Nägel zu schneiden. Er knabberte an einem Sandwich aus Toastbrot, löste kleine Bissen davon, die er unter seiner Zunge rollte. Der Speichel lief mir zusammen.

Er sagte etwas, ich verstand es nicht ganz. Er hatte diese Art, die Wörter zu pflücken, bevor sie reif sind, und sie dann achtlos in einen bereits vollen Korb zu werfen. Er tätschelte mechanisch seinen Hund und sprach im selben abgehackten Rhythmus. Ich versuchte mir etwas auszudenken, was ich ihm erzählen könnte. Ich bereitete in meinem Kopf Sätze vor, aber dann kamen andere heraus. Bei ihm sah es aus, als würde er überhaupt nichts vorbereiten. Bei ihm sah es aus, als würde er sich verhaspeln, von der Brise aufgesogen werden. Er sagte: «Der Horizont ist sonderbar, nicht? Ich bin sicher, wenn ich ihn eines Tages lang genug fixieren kann, werde ich sehen, dass er sich wellt. So reine Linien, das kann gar nicht sein.» Ich betrachtete den Horizont, und er kam mir labil vor. Ich sagte ihm, dass ich Schweizerin bin, dass mein Chef mich zu einem Sprachaufenthalt geschickt hat, weil er viel mit mir vorhat und weiß, dass ich zu bequem bin, um selbst solche Initiativen zu ergreifen, dass ich Mikromechanikerin bin – ich habe es auf Französisch gesagt, micromécanicienne, mit einer lächerlichen englischen Aussprache –, dass ich in die Fußstapfen meines Vaters getreten bin, der diesen Beruf ebenfalls fünfundzwanzig Jahre lang ausgeübt hatte, bevor er sein eigenes Uhrenunternehmen gründete, dass ich meine Tage damit verbringe, winzige Teile herzustellen und zusammenzusetzen, aus denen danach die Uhren gemacht werden. Ich sagte, dass es bei mir zu Hause kein Meer gibt, dass meine Stadt La Chaux-de-Fonds heißt, dass sie inmitten von Tannen verloren ist, hoch gelegen und unfassbar. Ich sagte, dass ich seit jeher dort gelebt habe, meine Ururgroßmutter dort geboren ist und dass man, wenn man einmal von dort weggeht, nie mehr zurückkehrt.

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