Читать книгу "Man treibt sie in die Wüste". Clara und Fritz Sigrist-Hilty als Augenzeugen des Völkermordes an den Armeniern 1915-1918 онлайн

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Wenn sich unten im Tal zur Nacht ein Sammellager der Deportierten bildet, gehen Clara und Fritz häufig dorthin, um die Zustände von Nahem zu besehen. Da Hilfe untersagt ist, können sie sehr wenig tun. «Beschattet von Ängsten, Mitleid und Wut, nicht wirksamer helfen zu können»41, kehren sie jedes Mal ratlos heim, und Clara grübelt in ihrem Tagebuch: «Man lebt in einer eigentümlichen Welt. Dieser Ort, die Ruhe und der Frieden selbst. Dann da­neben das Militär, hier die Bahnarbeiter und die Ausgewiesenen» (4. November 1915).

1916. Claras erste Schwangerschaft fiel in eine äußerst schwierige Zeit. Die Gewalttaten gegen die Armenier nahmen in diesem Jahr in der Amanusgegend ungeheure Ausmaße an. Einerseits die täglich vom Norden her vorbeiziehenden Todesmärsche, andererseits das immer größer werdende Problem der Vertreibung der Bahnarbeiter und die anschließenden Brutalitäten gegen sie und ihre Familien. Claras Tagebuch aus dieser Zeit bringt zahlreiche Eintragungen zu diesem Thema, erschütternde Szenen begleiten sie überall: während ihrer Spaziergänge und Ausritte, bei ihren Besuchen der Baustelle ihres Mannes. Auch andere Augenzeugen tragen ihr immer wieder herzzerreißende Berichte zu. Ihr Mann, ihr einziger Trost, verlässt das Haus «in aller Herrgottfrühe» und kehrt erst spät zurück, meist erschöpft und seelisch ausgelaugt wegen seiner zunehmenden Verluste an armenischen Fachkräften. Trotz allem erträgt Clara diese Schwierigkeiten in stoischer Ruhe. Sie bemüht sich, ihre Niedergeschlagenheit mit ihren Lieblingsbeschäftigungen im Haushalt und in der schönen kilikischen Berglandschaft zu bannen. Ablenken von den tragischen Eindrücken kann sie sich auch mit wohltuenden menschlichen Kontakten: die täglichen Besuche von durchfahrenden Kollegen und Freunden, die bei der gastfreundlichen Clara Unterkunft und Verköstigung finden, die gemütlichen Tee- und Plauderstunden mit den Gemahlinnen der europäischen Kollegen ihres Mannes.

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