Читать книгу "Alljährlich im Frühjahr schwärmen unsere jungen Mädchen nach England". Die vergessenen Schweizer Emigrantinnen. 11 Porträts онлайн

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Das biga äusserte sich besorgt. In einem Sitzungsprotokoll vom 17. Dezember 1945 heisst es: «Was England anbelangt, ist zu sagen, dass die Situation augenblicklich keineswegs günstig ist. Das Land ist, im Gegensatz zu Amerika, unsäglich verarmt. Die Verhältnisse im Ausland sind sehr viel schlimmer als nach dem Ersten Weltkrieg, die Gefährdung unserer jungen Mädchen daher viel grösser. Beängstigende Zunahme der Geschlechtskrankheiten. Der Mädchenhandel steht wieder in Blüte.»

Unerwünschte Freundschaften

Die jungen Frauen wurden unablässig gewarnt, in Zeitungen und Zeitschriften, auf Flugblättern und Beratungsstellen. Zum Beispiel vor dem britischen Wetter. In einem «Wegweiser für die Eltern unserer Englandgängerinnen» aus den Fünfzigerjahren heisst es: «Für seelisch Gefährdete, Enttäuschte, depressiv Veranlagte ist das feucht-neblige Wetter Englands und die der unseren recht verschiedene Denkart seiner Bewohner unge­eignet.» Oder vor dem «Charakter der englischen Hausfrau», die ihre Hausangestellten wegen des britischen Klassensystems nicht in die Familie integriere. Mit schlimmen Folgen, wie das Flugblatt «Schweizerinnen in Grossbritannien» ausführt: «Man­gel an Familienanschluss, Abgeschiedenheit oder unge­nü­gende Sprachkenntnisse führen oft zu Depressionen, übertriebener Vergnügungslust oder zu ungeeigneten Freund­schaften, was alles gleich verhängnisvoll sein kann.» In den Vierziger­jahren wurde noch oft vor den Kriegsfolgen gewarnt, vor Lebensmittelknappheit und «grauen, düsteren englischen Städten», in den Fünfzigerjahren rückten zunehmend sogenannte «un­erwünschte Freundschaften» und vor allem unerwünschte Schwangerschaften in den Fokus.

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