Читать книгу Das Lachen meines Vaters. Geschichten aus der Kindheit онлайн
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Nach den obligatorischen Schuljahren durfte Hans keinen Beruf erlernen. Er hätte für sein Leben gern einen technischen Beruf erlernt. Am liebsten Elektriker. Oder Feinmechaniker. Aber nichts da. Er musste in die Chemische. Dort begann seine Fabrikkarriere, die weit über vierzig Jahre dauern sollte. Hans wurde Reagenzgläserwäscher. Er reinigte neben dem klassischen Reagenzglas natürlich noch andere Glasbehälter, von denen es in den chemischen Laboratorien nur so wimmelt: Bechergläser, Dosierzylinder, Erlenmeyerkolben, Gasbüretten, Gaswaschflaschen, Kjeldahl-Kolben, Mehrhalskolben, Messkolben, Messzylinder, Mischzylinder, Petrischale, Retorte, Rundkolben, Rückflusskühler, Saugflasche, Scheidetrichter, Schlenkgefässe, Spitzkolben, Standzylinder, Standkolben, Tropftrichter und so weiter.
Nachdem er sich jahrelang durch Berge von Glas gewaschen hatte, durfte er nachts arbeiten und die laufenden Versuche der Chemiker – die seine Götter in Weiss waren – überwachen und nach akribischen Anweisungen der Herren Temperaturen verändern, Rührwerke ab- und einschalten oder die laufenden Versuche nach vorgegebenem Zeitplan stoppen. Hans liebte diese Arbeit. Sie war verantwortungsvoll und machte ihn in gewisser Weise selbständig. Allein auf weiter Flur, ging er zu nachtschlafender Zeit zuverlässig wie ein kleines Präzisionswerk von einem Labor zum anderen, drehte an Schaltern, verschob Regler, prüfte Gasflammen, notierte Temperaturen und hatte das Gefühl, am grossen Plan beteiligt zu sein. Sogar der Lohn wurde stetig etwas besser. Er konnte sich mit seiner Familie Ferien leisten, und am Sonntag gab es ganz neumodisch Poulet mit Pommes frites. Nur das Schlafen am Tage war nicht ganz so einfach – wehe, wenn die Kinder zu laut waren und ihn aus dem wohlverdienten Schlaf weckten.