Читать книгу Das Lachen meines Vaters. Geschichten aus der Kindheit онлайн
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Manchmal darf ich ihre Haare bürsten. Dazu muss ich mich auf einen Stuhl stellen. Es ist ein hartes Stück Arbeit. Hundert Bürstenstriche müssen es sein.
Solange sie lebt, vollzieht sie jeden Morgen dieses Ritual. Immer die gleichen Handgriffe, immer dieselbe Frisur. Es gibt keine Variation.
In ihrer Küche gibt es eine magische Biskuitdose, die gut gefüllt ist, egal wie oft Kinderhände sie leeren. Im Wohnzimmer einen Fernseher. Im Schlafzimmer einen Heiland als Hirte, in Öl.
Und sie nimmt mich regelmässig mit, auf den Hof.
Sie heisst Elise, aber ich darf sie nicht so nennen.
Ihr Mann ist verschollen, also zieht sie ihre beiden Töchter alleine auf. Ein halbes Leben schon arbeitet sie bei einer reichen Familie. Als man sie eines Tages nicht mehr braucht, wird sie verabschiedet. Keine Pension. Keine Abfindung. Sie beklagt sich nicht.
Sie glaubt an Gott.
Krank ist sie nie, kein einziges Mal.
Einmal ist sie unvernünftig. Zwei junge Männer kämpfen auf offener Strasse miteinander. Sie geht schlichtend dazwischen. Sie ist achtzig. Schliesslich hören die beiden Männer auf, sie aber liegt mit gebrochenem Becken am Boden.