Читать книгу Haus der Nonna. Aus einer Kindheit im Tessin онлайн
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Zia Maria hütete in ihrem Hof ihre Enkel und viele andere Kinder dazu. Die Kleinsten standen mit nacktem Hintern in einem Laufgitter und pinkelten, wo es sie gerade ankam. Mitten im Spiel lief ihnen der Urin die Beine hinunter. Windeln gab es keine, wenigstens tagsüber nicht. Im Sommer stand in diesem Hof auch eine Tretnähmaschine, an der die Töchter der Zia Maria, umgeben von Kindern und Hühnern, ihre Leintücher flickten.
Zia Maria war klein und hager. Sie hatte eine lange gebogene Nase und gütige braune Augen, die zwischen den Rändern des eng gebundenen Kopftuchs hervorschauten. Ich habe sie auch im Hause nie ohne Kopftuch gesehen. Sie sass in sich zusammengezogen da in ihren weiten Röcken. Um den feinen Körper herum trug sie erstaunlich viel Stoff, der dann beim breitbeinigen Gehen ins Schwingen kam. «Habt ihr Giovann besucht?», fragte sie. Giovann ist ihr Sohn, der im Nachbardorf Stabio wohnt. Papà versprach, am nächsten Tag mit mir hinzugehen und auch beim Pfarrer, an den sie uns erinnerte, anzuklopfen. Später, als Ziu Carlín tot war, fragte sie regelmässig: «Habt ihr Carlín schon besucht?» Auch die Toten wollten begrüsst und regelmässig aufgesucht sein. Mindestens einmal wöchentlich waren wir auf den Gräbern. Nie hätte jemand gesagt: «Ich war auf dem Grab von Carlín.» – «Ich war bei Carlín» genügte; jedermann wusste ja, wo er sich aufhielt.