Читать книгу Circolare. Prosa онлайн

12 страница из 29

Buona continuazione wiederholt er prompt, als er mir zwei Stunden später über den Weg läuft oder in aller Ruhe zwei Jahre später, und zählt mir so schon jetzt und jedes Mal endgültig, meine nächste Rückkehr ab, meine nächste Abfahrt, die sich eines Tages als die endgültige herausstellen könnte.

Amen in Olten

Im Lautsprecher wird meine Ankunft angekündigt, und schon komme ich; die Abfahrt wird angekündigt, und schon fahre ich wieder ab. Ein Zug bin ich, ein Personenzug: einer von vielen, effizient und pünktlich, im dritten Jahrtausend.

Im Dienst der Öffentlichkeit fahre ich auf Schienen kreuz und quer durch die Welt, CH ist meine Welt: mit irdischer Gewissenhaftigkeit, in amtlichem Auftrag; mit Decrescendo und Crescendo, kreischenden Bremsen, ratternden Rädern, wechselnden Menschen, die aus- und einsteigen; dann los, mit Höchstgeschwindigkeit unter jedem Himmel die tausend Schicksale zu befördern, die in einem einzigen vereint sind: meinem. Für eine Wegstrecke, für eine Portion Leben, registriert in Stunden, Minuten und Sekunden, verkörpere ich das Los meiner Passagiere: Ich nehme sie auf und übernehme die Verant­wortung, die Sache ist nicht ohne, und das wissen sie. Man braucht nur die Signora anzusehen, die in Wagen 3 eingestiegen ist; kaum hat sie sich ans Fenster gesetzt, noch nicht einmal den Mantel ausgezogen, nicht einmal die literarischen Zitate überflogen («Moi, le mauvais poète qui ne voulait aller nulle part, je pouvais aller partout.» Blaise Cendrars) oder das Gepäck der anderen beachtet, wendet sie sich in Gedanken schon den letzten Dingen zu, die plötzlich drohen, endgültig, keinen Blick wirft sie mehr auf den winkenden Enkel noch auf die Uhr am Bahnhof, in Olten: Schon formuliert sie in Gedanken ihr Gebet, gnädig sei ihr die Stunde, vielleicht die letzte, ihr wie jedem.

Правообладателям