Читать книгу Die illegale Pfarrerin. Das Leben von Greti Caprez-Roffler 1906 - 1994 онлайн

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Greti vertraute das Erlebnis Hildi Hügli an,109 ihrer besten Freundin aus der Kantonsschule, die in Bern studierte. Doch die konnte in der Entsagung kein höheres Ziel erkennen. Wir mögen eines vom andern noch so tolles Zeug verlangen, keines kann nein sagen,110 offen­barte sie Greti und spitzte deren Argumentation zu: Wenn Sinnlichkeit gut (…) – ja, sogar göttlich – war, dann musste das doch auch für die Zeit vor der Ehe gelten. Denn der Mensch ist Eines, er zer­fällt nicht in einen verachteten gierigen Leib und in eine vergötternde, verachtende Seele.111 Die Leidenschaft zu bekämpfen sei ein Vorurteil. Diesen Schritt konnte und wollte Greti jedoch nicht mitgehen. Du hast den kostbaren, unendlich süssen Kern, der im Warten (…) liegt, nicht erkannt,112 verteidigte sie sich. Und dennoch brachten Hildis Worte sie ins Grübeln. Ich suche schon lange zu finden, warum ich Deinen Weg verurteile, oder vielmehr, warum etwas in mir so gegen die Liebe ohne Papier weht. (…) Vielleicht wird es auch mit der Zeit anders. Als ich im Frühling bei Dir war, sah ich, wie just das, was ich verurteile, Dich geändert, liebwerter, menschlicher gemacht, Dein ganzes Wesen in frühlingshafter Lieblichkeit durchflutete. (…) Und als ich letzten Sonntag (…) beim Gianin in seiner Bude war, gab er mir ein Buch mit: «Das Liebesleben in der Ehe», und als ich es las, fragte ich mich: «Warum stemme ich mich eigentlich dagegen, dass dasselbe ohne Band getan??» Ich weiss nur das Eine, dass dadurch mein ganzes Wesen vernichtet würde und ich nie mehr aufstehen könnte.113

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