Читать книгу Die illegale Pfarrerin. Das Leben von Greti Caprez-Roffler 1906 - 1994 онлайн

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Unter dem Eindruck der innigen Zeit mit Gian fragte sich Greti schliesslich, ob sie das Studium an den Nagel hängen sollte. Wäre es nicht schön, bald zu heiraten, anstatt sich weiterhin mit Dogmengeschichte und Eschatologie abzumühen? Gegenüber einer Freundin, die vor kurzem geheiratet hatte, gab sie sich am Ende des vierten Semesters überzeugt: Du und ich, wir werden unser Lebtag nichts Rechtes als studierte Frauenzimmer. Wohl stecken in uns zwei tüchtige Mütter und treue, starke Kameradinnen für einen Mann. Aber laut darf man solche Dinge nicht sagen, (…) sonst werden gewisse ­Väter ­rabiat.114 In den Sommerferien in Igis bei ihren Eltern, als sie das an­derthalbjährige Tineli, die Pflegetochter, im Wagen herumschob, wuchs in ihr die Sehnsucht nach einem eigenen Kind.115 Doch als sie im Herbst wieder an die Universität zurückkehrte, erwachte die Leidenschaft für die Theologie wieder.116

Inzwischen hatte Joos Roffler bei der Bündner Landeskirche den Stein ins Rollen gebracht, der seiner Tochter den Weg ins Pfarramt bahnen sollte.117 Am 13. Juli 1927 beantragte er beim kantonalen Kirchenrat, die Bündner Landeskirche solle künftig auch Frauen in die Synode (das kantonale Pfarrerparlament) aufnehmen. Aus­serdem solle man Studentinnen zur Zwischenprüfung, dem Propädeutikum, zulassen, denn es waren nicht die Universitäten, sondern die Landeskirchen, die angehende Theologen prüften. Zwar hatte die Universität Zürich 1914 eigens Fakultätsexamen für Frauen eingerichtet,118 dieses berechtigte aber nicht zum Pfarramt. Joos Roffler begründete seinen Antrag rhetorisch geschickt mit dem angeblich typischen Bündner Pioniergeist. Wenn unser Kanton (…) auf diesem Gebiete vorangeht, so würde ihm das sicher nicht zur Unehre gereichen. Er ist schon einmal, 1526, durch die Einführung der Glaubens- und Gewissensfreiheit, der ganzen Welt vorausgegangen, und wir freuen uns heute noch darüber.119 Rofflers Forderung erregte derart grosses Aufsehen, dass in den Zeitungen tagelang hitzig debat­tiert wurde, ob eine Frau das Recht und die Fähigkeit habe, Pfarre­rin zu sein. Das Wort ergriffen meist andere Pfarrer, jedoch anonym.

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