Читать книгу Die illegale Pfarrerin. Das Leben von Greti Caprez-Roffler 1906 - 1994 онлайн

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Die klaren Worte, die Greti im Tagebuch fand, fehlten ihr im Brief an den Liebsten. Sie berichtete ihm nur verklausuliert von ihrem Besuch bei Ludwig Köhler. Er war allein zu Hause und nach einem merkwürdigen, blödsinnigen Vorspiel wanderten wir mitein­ander zum Grabe seiner Mutter (!!). Den Übergriff tat sie als Spiel ab, ja – eine freudsche Fehlleistung? –, gar als Vorspiel. Sie schilderte ihn wie einen bösen Traum, aus dem man erwacht und feststellt, dass alles gar nicht wahr ist. Ach Lieber, dies alles war so unglaublich, so unwirklich, und so komisch. Schreiben kann ich es Dir natürlich nicht, trotzdem es sich schwieriger erzählen lässt.240 Sie sorgte sich darum, was Gian von ihr denken mochte und wie er auf die Nachricht reagieren würde. Gleichzeitig appellierte sie an seinen Humor und sein Verständnis. Wenn Du es aber nicht tragischer nimmst als ich, wird dies ein komischer Abend werden für uns.241

Kurz vor seiner Emeritierung befasste sich Ludwig Köhler in einem Seelsorgeratgeber mit einem Phänomen, das er die Lebenskrise der Männer nannte.242 Männer, die im Berufsleben stehen, machen häufig um ihr fünfzigstes Lebensjahr herum eine ernstliche Störung durch und begehen dann leicht eine ganz grosse Dummheit. (…) Ein ­Generaldirektor brennt mit seiner blonden Sekretärin durch, es kommt zu Scheidungen, zu unvermitteltem Hausverkauf und Wohnungswechsel.243 Das liege daran, dass ein Mann in diesem Alter alle seine Ziele – Ehe, Familiengründung, Beruf, öffentliche Stellung – erreicht habe.244 Er ist am Ziel. (…) Das Leben ist langweilig und schal geworden.245 Zur Überwindung der Lebenskrise hatte der Theologe einen einfachen Ratschlag: Die Hoffnung auf das Reich Gottes.246

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