Читать книгу Die illegale Pfarrerin. Das Leben von Greti Caprez-Roffler 1906 - 1994 онлайн

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Am Tag des Examens – ein Kollege Köhlers sollte sie prüfen – wartete Greti im Korridor vor dem Examenszimmer. Seit der Begeg­nung im Rektoratsbüro hatte sie den Professor nicht mehr gesehen.228 Nun, unmittelbar vor der Prüfung, trat er zu ihr und wies sie an, am folgenden Tag um zwei Uhr nachmittags zu ihm zu kommen. Über das Examen verlor sie im Tagebuch kein Wort. Sie ging nur auf das Danach ein. Als es vorbei war und ich abends die Strasse hinaufging, spürte ich doch, dass es zu viel gewesen war für das kleine Wesen. In meinem Unterleib trug ich ein schrecklich verzogenes, überanstrengtes Gefühl, und ich schlief nicht bis vier Uhr. «Es» war sehr ­unruhig.229

Tags darauf ging sie zu Professor Köhler, wie dieser sie geheissen hatte. Sie fürchtete sich vor der Begegnung und hoffte zugleich auf eine Aussprache.230 In ihrer Fantasie begegnete sie Köhler als Ebenbürtige, mit einer zärtlichen Geste, sah sich seinen Kopf in ihre Hände nehmen und ihm sagen, dass sie Gian liebe und ein Kind von ihm erwarte.231 Doch dazu kam es nicht. Als sie läutete, öffnete Köhler selbst232 und führte sie in sein verrauchtes233 Studierzimmer. Kaum standen wir in seinem Zimmer, riss er mich an sich und es wäre wie ein Sturmwind über mich dahingebraust, wenn ich ihm nicht gewehrt. «Gib mir deinen Mund», bat er zweimal, und er nahm ihn sich. Ich riss mich los, und im selben Augenblick sprach er von etwas anderem, mir die Türe zur Aussprache verschliessend.234 Stattdessen machten die beiden einen Spaziergang. Doch auch jetzt fand Greti keine Gelegenheit zu reden. In grosser Beschämung ging sie nach Hause. Was sie Köhler mitteilen wollte, fasste sie in einen Brief. Sie hoffte, die Sache damit ein für alle Mal zu klären.235 Weder der Brief noch eine Antwort sind überliefert.

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