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Mein Geburtsland spielt sich immer gern als Musterland auf. Es tut so, als könne es alle seine politischen Konflikte im Konsens und gewaltlos lösen. Dabei holten sich Kriegsherren und Könige früher Schweizer Söldner aufs Schlachtfeld, weil diese alle anderen an Grausamkeit übertrafen. Ob in den Alpen oder im Jura, man ist in der Schweiz nicht friedfertiger als in einer Pariser Banlieue, nur wird hier die soziale Ordnung weniger mit nackter Gewalt als mit Schweigen aufrechterhalten. Geschäftsgeheimnis, Staatsgeheimnis. Und deshalb tut sich die Schweizer Literatur mit der Politik so schwer. Ihre Vordenker oder Mäzene flüstern ihr ins Ohr: Weitergehen! Hier gibt es nichts zu sehen, erzählt uns lieber aus eurem Seelenleben.
Niklaus Meienberg gehört zu denen, die es gewagt haben, am Lack unseres einvernehmlichen Idylls zu kratzen. Er hat die Zeche für den Übergriff zuerst mit der Psyche, dann, wie etwa Anne-Marie Schwarzenbach, mit dem Leben bezahlt.
Schauen wir ihm zu.
Rue Duval
Es beginnt in Paris. Der Ermittler geht halb nackt durchs Zimmer und greift zum Telefon. Der Anruf kommt aus Hamburg, vom Chefredaktor von Das Blatt. Es ist der 22. September 1977, wir befinden uns in einer kleinen Dachwohnung im Marais, Rue Duval 7. Miete siebzig Franken im Monat.