Читать книгу Brief an meinen Sohn. Über die Liebe zu einem behinderten Kind онлайн

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Heute bist du mein Kanarienvogel. Oben blau, un­ten grün. Die Hose hast du zu Weihnachten bekommen. Die Hose ist zu lang. Ja, du bist zehn. Aber nicht die Norm. Hosen für Zehnjährige sind dir zu gross.

Ich zieh dir den Pyjama aus. Du schläfst. Ich singe. Das gefällt dir. Ich pfeife eine Melodie. Ein scheues Lächeln huscht über dein Gesicht. Dein schönes Lachen. Und jetzt die Socken. Die mit den Monstern drauf. Ahhhrrr, reissen sie ihre Mäuler auf. Willst du das «Ich-darf-alles»-T-Shirt? Gefällt dir die Aufschrift? Ich finde sie toll. Du kannst nichts, aber du darfst alles.

Wenn du nur sagen könntest, was du willst. Ob dir das T-Shirt gefällt? Und die Unterwäsche? Seit zehn Jahren trägst du sie. Wir ziehen sie dir über. Juckt sie? Ist sie angenehm auf der Haut? Wenn ich dich ausziehe, kratzt du dich gerne. Ist es ein Zeichen gegen die Wollwäsche?

Bin ich so gut gelaunt, weil ich endlich zu schreiben begonnen habe? Tut mir das so gut? Aber wenn ich so gut gelaunt bin, kann ich dann noch schreiben? Kommen mir dann die traurigen Momente noch in den Sinn? Die sind doch auch wichtig, die gehören doch auch zu dir und mir.

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