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Die Not zwang die Männer der Gegend stets, anderswo Arbeit zu suchen. Sie wanderten über die gute Jahreszeit aus. Zumeist als Bauarbeiter in die Schweizer Städte, aber auch nach Frankreich. Unterdessen besorgten die Frauen die wenige Landarbeit, hielten sich einige Ziegen, Schafe und Hühner (selten nur eine Kuh) und sichelten, auf den Knien kauernd, das spärliche Gras an den Hängen. Zu Weihnachten kehrten die Männer zurück und brachten, nebst Geld, auch viel Lärm und Unruhe in die Dörfer. Wohl hatte längere Zeit hindurch eine Heimindustrie im Tal geblüht und den Leuten einigen Wohlstand gebracht: durch das Flechten von Strohborten. Der Weizen, der auf den spärlichen Äckern reifte, lieferte sehr weiches Stroh. Dieses konnte vorzüglich zu Tressen verarbeitet werden, die sich gut bis nach Florenz hinunter verkaufen ließen. Auch die Männer halfen den Winter über bei dieser Arbeit. Die Leute saßen am Kaminfeuer gemütlich beisammen. Sie ließen die flinken Finger spielen und der Lust am Schwatzen und Lachen freien Lauf, wie ihre heitere Art dies verlangte. Als Japan mit weit billigeren Preisen auf dem Markt er­schien, fiel die kleine Heimindustrie zusammen. Dies war schlimm genug für das Tal. Viel später wurde versucht, das Handweben für die Frauen einzuführen. Eine diplomierte Webmeisterin gab Kurse in Weben und Wollefärben. Auch schenkte der Kanton denjenigen, die dabei bleiben wollten, einen Webstuhl. In den Städten schuf man Absatzstellen für fertige Teppiche. Doch zeigte sich bald, dass das Weben diesen Frauen nicht entsprach. Sie waren es gewohnt, draußen zu werken, das magere Gras am Hang zu schneiden und in den Wäldern das Holz für den Winter zu sammeln. Das stundenlange Sitzen am Webstuhl, allein ohne Gefährtinnen, mochten sie nicht. Die meisten verkauften ihren Webstuhl. Damit war dieser Versuch der Selbsthilfe gescheitert.

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