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Denn um wieviel einfacher ist es, sich wie ein Frischknecht, ein Wespe, ein Ramseyer oder ein Meienburg von der organischen, d.h. linken Umgebung applaudieren zu lassen, als eben wie ein Bü., fam oder mui. von den bürgerlichen Kollegen mit Befremden betrachtet und von den eigentlichen Gesinnungsgenossen öffentlich befehdet zu werden! Also überall fremd zu sein, schliesslich auch in der eigenen Haut! Und trotzdem durchzuhalten, zwei geschlagene Jahrzehnte lang!

Nun zu Viktor mpf. Schlumpf. Sein Fall ist komplizierter, kann er doch im allgemeinen ziemlich offen agieren, weil er dabei von einer bedeutenden SJU-Betriebsgruppe des «Tages-Anzeigers» unterstützt wird, bekanntlich sind über fünfzig Prozent der dortigen Belegschaft im SJU organisiert. Und gerade dieses macht Schlumpfens Situation prekär, denn die Geschäftsleitung soll nicht merken, dass er die Speerspitze der betrieblichen SJU ist, und so schreibt er also z.B. contrecœur und la mort à l'âme vor der Armeeabschaffungsabstimmung einen Leitartikel für die Armee und unterdrückt jede andere Meinungsäusserung, aber natürlich mit dem Hintergedanken, auf diese Weise einen rabiaten Protest der SJU-Betriebsgruppe zu provozieren, welcher dann bekanntlich zur Folge hatte, dass im «Tages-Anzeiger» doch noch ein geharnischtes Editorial zugunsten der Armeeabschaffung erscheinen konnte, am 31. November 1989. Auf diese Weise fanden die mentalen Mehrheitsverhältnisse in der Redaktion endlich ihren gebührenden Ausdruck in der Öffentlichkeit. Die SJU-Betriebsgruppe hatte, um dieses zu bewerkstelligen, im Bewusstsein ihrer Stärke kurzentschlossen eine Streikdrohung formuliert für den Fall, dass dieses ihr Editorial nicht hätte erscheinen können, und die Lahmlegung aller Textverarbeitungsmaschinen angedroht durch Herbeiführung von Kurzschlüssen via Überbeanspruchung, und tatsächlich war es für die Geschäftsleitung ein Ding der Unmöglichkeit, in so kurzbemessener Frist mehr als fünfzig Prozent der Belegschaft auszusperren und Ersatzleute zu engagieren. Es war denn auch ein seltenes Gefühl für den Aussen-, aber auch für den Innenstehenden, als die Tagi-Belegschaft prophylaktisch sich mit Thermosflaschen, Wolldecken und Feldbetten in ihren Büros niederliess, um, falls der Streik nicht nur hätte angedroht, sondern auch verwirklicht werden müssen, jeden potentiellen Streikbrecher abzuschrecken. Da kam der Belegschaft einmal richtig zum Bewusstsein, dass dieses Zeitungs-Produkt nicht ohne sie, aber sehr wohl ohne die Herren Futschknecht, Florian Heu und Heinrich Napoleon Hächler hergestellt werden kann. Als kleinlicher Racheakt von seiten des Vorsitzenden Hächler wurde es dann allerdings empfunden, dass dieser letztere darauf die ganze Kantine des «Tages-Anzeigers» für sich beanspruchte und eine Mehrzweckhalle für den eigenen Gebrauch daraus herrichten liess mit marmorverkleideter Sauna, teuersten Design-Möbeln und schickester Einrichtung, und konnte diese Selbstherrlichkeit nur insofern gemildert werden, als nach energischen Demarchen des SJU-Politbüros eine sonntagnachmittägliche Benutzung der Sauna durch den SJU-Vorstand in allen Monaten ohne R (Mai, Juni, Juli, August) zugestanden wurde; allerdings nur an jenen Sonntagen, da Heinrich Hächlers Sohn, der bekannte Sozialarbeiter, welcher von seinem Vater zweckentfremdet und in den Betrieb gehievt wurde, die Sauna nicht seinerseits beansprucht, nachdem er bereits über den Plänen für das neue Druckzentrum erfolglos geschwitzt hat.

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