Читать книгу Im Knast. Ein Bericht онлайн
4 страница из 21
Wäre dieser Rapport aus der Strafanstalt das Machwerk eines recherchierenden Journalisten, er wäre aufschlussreich und brisant. Aus der Feder eines Insassen beeindruckt er besonders, weil der Verfasser seine Erfahrungen und Reflexionen aus der Authentizität seines Erlebens zu Papier brachte. Er schreibt nicht über die Justiz, sondern aus der sinnlichen Erfahrung rechtsprechender Gewalt an eigenem Leib und eigener Seele in verschiedenen Phasen und an entsprechenden Lokalitäten seines Curriculum Vitae innerhalb der Sphäre gesetzwidrigen Hergangs und anschliessender Gerichtsbarkeit. Er beschreibt den Tatort, die Flucht, die Untersuchungshaft, die psychiatrische Begutachtung, das Gerichtsverfahren, den Strafvollzug, die Entlassung nach dreizehn Jahren.
Der Autor hat keine akademische Ausbildung genossen. Seine beachtliche Schreibkunst scheint einerseits einer genuinen Begabung geschuldet, andererseits einer Belesenheit, die er nicht zuletzt einer reichhaltigen Gefängnisbibliothek zu verdanken weiss. Seine Aufzeichnungen erinnern an den psychologischen Realismus romanhafter Darstellungen der Gefängnisliteratur, wie jene von Jakob Wassermann (Der Fall Maurizius) und Hans Fallada (Wer einmal aus dem Blechnapf frisst). Sie sind aber kein Roman, sondern eine Geschichte, die das Leben hinter Mauern schrieb. Für das Studium der Psychologie der Macht sind sie ein wertvoller Beitrag. Sie handeln von einem Feld der Not und der Qual, von erzwungenem Zusammenleben, von der Zermürbung im Wirbel zurückgedrängter Triebe, vom im Unterdrückungsregime gesammelten Schweigen, vom Sadismus der Justiz, die legitimiert ist durch seine Schuld. Er zeichnet das Bild einer entseelten Maschinerie der Justiz, einer von ihm als despotisch erlebten Willkür und eines Verlustes der Menschenwürde. Er schreibt von der Hölle auf Erden. Der Text ist aber keineswegs ein anlastendes Klagelied eines Unzufriedenen, der sich darauf beschränkt, das Leiden in Worte zu fassen. Der Autor nimmt eine besonnene Rolle ein, die des scharfäugigen Analytikers des Alltags im Knast, der sozialen Strukturen und dynamischen Abläufe, geleitet von der Methode der teilnehmenden Beobachtung. Er bemüht sich – über weite Strecken respektvoll-distanziert – um Objektivität und Ausgewogenheit. Seine Schrift «Im Knast» wirft einen Lichtstrahl in die Psychologie des Strafvollzugs. Sie hält der Strafjustiz den Spiegel vor, in dem sie ihre eigenen Fratzen abgebildet sieht. Der Registrierende gibt dem Ausdruck «Gegengutachten» eine neue Bedeutung, nicht die übliche einer von einem Verteidiger in Auftrag gegebenen Gegenexpertise. Es ist seine, des Autors, Begutachtung des Amtspsychiaters, der ihn hochnäsig abgeschmeckt hat, und der Seelenfolterfunktionäre im Namen des Rechtsstaates.