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Die Pinzon-Söhne standen um Aufmerksamkeit heischend im Eingang und ließen suchend ihre Blicke über die Gäste gleiten. Dort auf der Bank die Hure mit dem betagten Freier Pedro Vasquez, der ihr ungeachtet seines hohen Alters an die Wäsche wollte; die Tische alle leer, an der Brettertheke eine Versammlung von einem halben Dutzend einheimischer Männer, in deren Mitte die zwei fremden Seeleute standen. Wie üblich stand Maestre Bezal hinter seinem Bretterverschlag, wo er jetzt den breiten, in die Wand eingelassenen, offenen Kamin befeuerte, obwohl es bereits sehr warm im Schankraum war. Aber das knisternde Feuer sorgte zusammen mit zwei tranigen Ölfunzeln an der Decke für die Beleuchtung in der „Schildkröte“. Der Raum besaß nur ein einziges schmales, schiefes Fenster. Die Schatten flackerten wild an den Wänden. Martin Arias Pinzon schlug seinen Mantel zurück, so dass der Griff seines Degens erkennbar wurde und jedermann sehen konnte, dass er bewaffnet war. Martin gehörte zu jener Sorte von Menschen, für die Macht- und Statusdemonstrationen in allen Lebenslagen dazugehörten. Wo er auftauchte, da trat er immer als der Sohn des Patron auf, als der reiche Pinzon, der Günstling des Glücks und der Herr über Hunderte von Bauern, Fischer, Handwerker, Matrosen und Tagelöhner. Dabei verströmte Martin Arias eine natürliche Autorität. Er füllte die Räume, die er betrat, mit seiner Ausstrahlung und seiner Präsenz. Dazu trug sein, trotz relativer Jugend, bereits fülliger, massiger Körperbau bei, seine Furcht einflößenden kleinen Schweinsäuglein, aus denen er Blicke abfeuern konnte, und sein schmaler, immer leicht verkniffen wirkender Mund, der seinen Zügen eine verschlagene Härte und Hinterhältigkeit gab, die ihm womöglich in dieser Ausprägung gar nicht innewohnte. Zum Respekt, den Martin Arias Pinzon verbreitete, trugen aber auch seine Intelligenz und seine Erfolge als Kaufmann bei. Er zählte erst knapp dreißig Jahre, blickte aber bereits auf mehrere erfolgreiche Kaufmannsfahrten zurück, im Mittelmeer bis an die Levante und im Atlantik bis hinunter zu den afrikanischen Küsten. Er führte die Geschäfte im Hause Pinzon, wenn der Alte unterwegs war, und jedermann wusste, dass er eines Tages die Nachfolge seines Vaters an der Spitze der Familie und in der Führung der Geschäfte antreten würde. Jedenfalls duckten die Menschen sich vor ihm und bezeugten unaufgefordert devoten Respekt. Auch jetzt, im Niemandsland der „Schildkröte“, nahmen all die rauen und unerschrockenen Männer, die hier versammelt waren, unaufgefordert zum Gruß ihre Mützen ab, senkten verlegen die Blicke und beugten leicht die Köpfe. Der „Herr“ war erschienen. Was auch immer ihn hierher getrieben hatte, er war hier nicht Gleicher unter Gleichen, sondern sofort der Ehrfurcht gebietende junge Patron, dem alle zu Gehorsam verpflichtet waren.

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