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DAS BUCH ADLER


Zuerst keimst du auf dem Dotter, und dann keimt in dir dein Bewusstsein, und du schwimmst auf dem Dotter und wirst immer größer. Dann bist du so gewachsen, dass du die Eischale ganz ausfüllst und den Dottersack unter deinem Bauch wie einen Wasserbeutel zusammenpresst, und er reduziert sich immer mehr, das fein blutigrote Geäder zieht sich in deinen Bauch zurück, die roten Verästelungen schrumpfen. Du merkst das daran, dass du nicht mehr schwebst. Irgendwann trägt dich dein Dotterkissen nicht mehr, und mit dem herrlichen Gefühl des eingekapselten Schwebens ist es vorbei. Du spürst zum ersten Mal dein Körpergewicht. Du merkst, dass du ein Eigengewicht hast, und das ist ungewohnt, und du beginnst zu zappeln. Du strampelst, aber in nunmehr beklemmender Enge, und du spürst, dass es nun Zeit ist. Du spürst, wie sich dein Gehäuse mit dir dreht, weil deine Mutter das Ei wendet. Du registrierst zum ersten Mal die Außenwelt. Es ist Zeit.

Dein Körper ist zusammengekrümmt, dein Hals an die Wölbung der Eischale gedrückt. Du versuchst dich zu strecken. Vor deinem Schnabel gibt es eine feine Membran. Dahinter ist Luft. Du durchschlägst die Membran mit deinem Schnabel, und es ist, als ob man einen Erste-Hilfe-Kasten einschlägt, um an die Notausstattung hinter der Glasscheibe zu gelangen. Jetzt läuft die Zeit. Denn der Luftvorrat in der Kammer ist begrenzt.

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