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DIE KOLONIALE LÜGE

Diese Sprachlosigkeit prägte meine Jahre innerhalb der Berliner Schwarzen Community. Es ist, wie es meistens ist: Helle, klassenprivilegierte Männer mit leicht verdaulicher Migrationsgeschichte übernehmen das Ruder, führen an, gelten als bessere Posterchilds des Afrodeutschseins. Formulieren ihre Bedürfnisse betont unmigriert, wechseln flüssig ins Englische, fühlen die US-amerikanische Befreiungsgeschichte, als wäre es ihre eigene. Sie entkomplexisieren – solange sie eben cis, hetero, anglophon, unmigriert und möglichst nicht behindert sind. Die Falschannahme: »Jene sind doch fast schon ein weißer westlicher Mann! Sobald er deutsch genannt wird, ist es vollbracht, der Rassismus beendet!«

Um das gleich klarzustellen, mir ist bewusst, dass dem nicht wirklich so ist, diese Annahme beschreibt nicht wirklich die Lebensrealität Schwarzer Männer. Das Gesundheitssystem, tägliche Rassismen, der Schul-, Ausbildungsund Arbeitsmarkt sehen das anders. Ich glaube nicht, dass die interne, unbeabsichtigte Hierarchisierung in den Schwarzen Bewegungen auf tatsächlichem Erfolg der Strategie des Aufgebens des kulturellen Selbst beruht. Sondern darauf, dass uns etwas vorgegaukelt wird. Wie Julian Rendell, eine afrodominikanische queere Stimme, unverblümt aussprach: »Du kannst nicht so hart arbeiten, dass du dein Trauma dadurch ausstichst.«14 Sollten also vermeintliche Erfolgschancen im westlichen System der Maßstab sein für die Auswahl jener, die für uns als Stellvertreter*innen sprechen dürfen? Schließlich existieren Kolonialismus und Rassismus nicht etwa aufgrund eines Mangels an Kreativität oder Zielstrebigkeit seitens unserer Vorfahr*innen. Auch das ist die koloniale Lüge: Du bist einfach noch nicht entwickelt genug, um auf derselben Stufe wie der weiße Mann zu leben, hopp, streng dich an, lass jene Communityleader werden, die Weiße am ehesten hinnehmen können.

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