Читать книгу Republik der Werktätigen. Alltag in den Betrieben der DDR онлайн

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Um den Ehrentitel zu erlangen, musste ein Anforderungskatalog erfüllt werden. Neben der Arbeit spielten kulturelle und politische Ansprüche eine Rolle, natürlich ging es um »sozialistische Moral und Ethik«, und dies alles hatte in »abrechenbarer Form« zu geschehen. Letzteres dokumentierte das Brigadetagebuch. Als »Mittel der Erziehung und Selbsterziehung« erzählte es von der Entwicklung der Brigademitglieder und war ihr Kummerkasten. Die Tagebücher sollten regelmäßig in den Gewerkschaftsgruppen der Betriebe »ausgewertet« werden.

In der Praxis ging es meist nicht so bierernst zu. Hatte sich erst einmal jemand gefunden, der die Schönschrift beherrschte, gern mal ein Bildchen ausschnitt oder ein Foto einklebte, womöglich noch eine Vignette malen und Schüttelreime verfassen konnte, waren der kreativen Buchführung keine Grenzen gesetzt. Kegelabende und gemeinsame Ausflüge wuchsen zu »kulturellen Höhepunkten« an, das Anpacken beim Hausbau des Arbeitskollegen zur »sozialistischen Hilfe«, und wenn mal ein Stammhalter zu begießen war, hieß es einfach »gemütliches Beisammensein«. Ein gemeinsamer Kino- oder Theaterbesuch lieferte wichtige Punkte, und den geforderten politischen Aktivitäten war Genüge getan, wenn jemand regelmäßig einen aktuellen Zeitungsartikel an die Wandzeitung pinnte oder zwei, drei Kollegen – oft zum wiederholten Mal – in die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft eintraten.


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