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Identifikation von Gruppen
Eine Frage, die sich bei der Betrachtung sozialer Netzwerkdaten typischerweise stellt, lautet, wie die beobachteten sozialen Strukturen innerhalb des Klassenzimmers mit bestimmten Merkmalen der Lernenden zusammenhängen. Die einfachste Form, um in einem sozialen Netzwerk Gruppen zu identifizieren, besteht darin, die erhobenen Netzwerkdaten mit Informationen zu weiteren Merkmalen der Lernenden zu verknüpfen, z. B. Geschlecht (vgl. Dijkstra & Berger, 2018) oder Sprachgruppenzugehörigkeit (vgl. Kindermann & Gest, 2018). Eine weitere, im Rahmen der Bildungsforschung bislang jedoch relativ selten genutzte Möglichkeit ist die Identifizierung von Gruppen aufgrund der Beziehungen, die die Personen untereinander haben (z. B. Grütter, Meyer & Glenz, 2014; Zander, Chen & Hannover, 2019). Diese Methode ist vor allem dann interessant, wenn Phänomene wie Selektion und Beeinflussung in Hinblick auf veränderbare Merkmale wie z. B. Einstellungen, Normen oder das Selbstkonzept untersucht werden sollen (Kindermann & Gest, 2018). Auch hier existiert eine Vielzahl von Prozeduren zur Identifikation existierender Gruppen in einem sozialen Netzwerk (Kindermann & Gest, 2018; van Duijn & Huisman, 2011). Bei den sogenannten Bottom-Up-Prozeduren (Hanneman & Riddle, 2011) wird innerhalb des Netzwerkes nach zuvor festgelegten Strukturen (z. B. Cliquen) gesucht (Wassermann & Faust, 1994). Da Personen in der Regel Mitglied mehrerer solcher Cliquen sind, ließe sich in einem Netzwerk beispielsweise auszählen, in wie vielen Vierer-Cliquen (n-Cliquen) – also Gruppen mit exakt vier Personen, die alle untereinander verbunden sind – eine Person inkludiert ist. Bei den sogenannten Bottom-Down-Prozeduren (ebd.) hingegen werden die Strukturmerkmale der Gruppen nicht zuvor rigide festgelegt, sondern ein statistisches Kriterium bestimmt, dem die Gruppenstruktur eines Netzwerkes genügen soll. Ein Beispiel für eine solche Prozedur bietet die Anwendung KliqueFinder (Frank, 1995, 1996). Der KliqueFinder-Algorithmus sucht nach einer Gruppenstruktur, in der die Wahrscheinlichkeit für eine Verbindung zwischen zwei Personen höher ist, wenn sie Mitglied derselben Gruppe sind, als wenn sie Mitglieder zweier unterschiedlicher Gruppen wären. Den von KliqueFinder aufgefundenen Gruppen müssen demnach keine sozialen Kategorien zugrunde liegen, wie z. B. das Geschlecht oder die Sprachzugehörigkeit. Ein Vorteil der Bottom-Down- gegenüber den Bottom-Up-Prozeduren ist, dass sie häufig Gruppenstrukturen aufdecken, die eine höhere Bedeutsamkeit für soziale Prozesse haben, als dies für mit Bottom-Up-Prozeduren identifizierte Gruppenstrukturen der Fall ist (van Duijn & Huisman, 2011).