Читать книгу Schuldrecht nach Anspruchsgrundlagen. samt BGB Allgemeiner Teil, eBook онлайн
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4. Das Menschenbild des BGB einst und jetzt
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Das BGB ist ein Kind seiner Zeit, das Produkt der Pandektenwissenschaft vom römischen Recht und des wilhelminischen Kaiserreichs. Erklärte Ziele waren die Rechtseinheit und die Rechtsgleichheit im bürgerlichen Recht. In deutschen Landen galt erstmals ein einheitliches Zivilrecht. Die feudale Gesellschaft des Mittelalters wurde rechtlich durch die bürgerliche Gesellschaft der Freien und Gleichen abgelöst. § 1 drückt dies verschämt so aus, dass die Rechtsfähigkeit des Menschen mit Vollendung der Geburt beginne. Gemeint ist die Rechtsfähigkeit aller Bürger ohne Ansehen der Person, ihres Alters, Standes oder Geschlechts, das späte Ergebnis der französischen Revolution und des napoleonischen code civil. Das Vertrags- und Vermögensrecht des BGB gründet auf dem wirtschaftlichen Liberalismus. Vertrags-, Eigentums- und Testierfreiheit sind die höchsten Werte. Sie sind zugeschnitten auf den freien und gleichen, vernünftigen und selbstverantwortlichen Bürger, der sich selbst zu helfen weiß und im freien Spiel der Marktkräfte nicht nur sein eigenes Glückt findet, sondern auch noch dem allgemeinen Wohl dient. An der sozialen Lage seiner Zeit hatte das BGB nichts auszusetzen. Der Unternehmer war noch Herr im eigenen Haus. Mit den abhängigen Lohnarbeitern schloss er gewöhnliche Dienstverträge nicht anders als mit seinem Anwalt oder Arzt. Arbeitsvertrag, Tarifvertrag und Arbeitsgericht waren noch Fremdwörter. Für die Armen und Schwachen hatte das BGB kein Herz. Ihnen halfen von Fall zu Fall allenfalls die Generalklauseln von den „guten Sitten“ und von „Treu und Glauben“ (§§ 138, 242).