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Im nächsten Schuljahr blühte Gion-Gieri auf. Seine Klassenkameraden begannen sich für ihn zu interessieren, er hatte keine Ahnung wieso. Da er keine Eltern mehr hatte – das sagte er aber keinem –, begleitete er einige von ihnen an den Wochenenden nach Hause. So lernte er andere Dörfer, aber auch Städte kennen: Chur, Bellinzona, Rapperswil und Zürich. Von Zürich hatte er nur das Schlimmste gehört, das musste ein dunkler, stinkender Moloch sein, mit Strassenschluchten, in denen man sich hoffnungslos verirrte, voll von Autos, höllischem Lärm, rauchenden Fabrikschloten und hässlichen Hochhäusern. Als er an einem wunderbaren Sommertag den See und in der Ferne die Schneeberge sah, die Kirchtürme und die vielen Bäume rundum, die Seepromenade erlebte und die Strassencafés, da wusste er, dass er hier einmal leben würde.

Im dritten Internatsjahr begann man um ihn zu buhlen. Die Mädchen, aber auch die Burschen. Und die Lehrer ebenfalls. Ein Bursche hatte als Erster Erfolg. Er war ein Jahr älter und hiess Raffi. Eine Sportskanone, die Mädchen schwärmten für ihn, aber sie blitzten alle ab. Raffi versuchte, Gion-Gieri dafür zu gewinnen, mit ihm zu trainieren. So lange, bis er schliesslich mitmachte: intensives Training, ihre Muskeln schwollen, ihre Oberkörper glänzten vor Schweiss. Gemeinsames Duschen verstand sich da von selbst. Dass Raffi sich für ihn interessierte, schmeichelte Gion-Gieri. Dass Raffi ihn auch begehrte, schmeichelte ihm noch viel mehr. Er wurde sich auf einmal bewusst, dass er gut, sogar unverschämt gut aussah. Jetzt traute er sich endlich, auf die Mädchen zuzugehen. Vorerst aber ging es mit Raffi noch eine Weile weiter: ungenierter Körperkontakt, in aller Öffentlichkeit, sie waren ja Sportler. Zärtlichkeiten, aber nur in Raffis Zimmer, ein Plaisir à deux mit jeweils spritzigem Ende. Für Gion-Gieri eine prickelnde Erfahrung, die rein nichts zu tun hatte mit den widerlichen Dingen, die er mit dem alten Caduff erlebt hatte.

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