Читать книгу Katholisch und Queer. Eine Einladung zum Hinsehen, Verstehen und Handeln онлайн

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Blicke ich auf meine Zeit dort zurück, dann war in den ganzen Jahren ein überwiegender Teil der Leute LGBTI*Q+-Personen. Untereinander haben sich die Gruppen und einzelne Personen gefunden und ausgetauscht, doch nach außen hin wurde von den meisten die Hauslinie gestützt; man wollte seine „Laufbahn“ ja auch nicht gefährden.

Ich suchte mir meinen Weg selbst – außerhalb des Priesterseminars. Wo ich wirkliche Offenheit und Wertschätzung fand, war die Studentengemeinde und mit Kommilitonen anderer Fakultäten, was wiederum dazu führte, dass meine Abwesenheit im Haus bemerkt und negativ bewertet wurde. Schwul war ich immer und ich habe es auch nie geleugnet. Ich glaube heute, mein Glück war, dass die Hausleitung mit dem Thema gar nicht umgehen konnte und deshalb jedes Gespräch und auch Situationen vermied, in denen es hätte angesprochen werden müssen.

Wie viele andere hatte auch ich in dieser Zeit sexuelle Begegnungen und Beziehungen. Das war nicht ungewöhnlich, aber eben nicht gesprächsfähig. Da ich aber zölibatär leben wollte – und das nicht nur, weil mir jemand sagte, ich müsse es, sondern weil ich verstand, worum es dabei ging, und das als Lebensentwurf für mich hätte annehmen können –, habe ich viel darüber gelesen und letztlich meine Diplomarbeit in Pastoraltheologie über die praktische Lebbarkeit des Zölibates geschrieben. Ich glaube, das machte die Hausleitung nervös, auch weil zum einen meine Arbeit bemerkt worden war, andererseits weil meine Mitseminaristen wussten, woran ich arbeitete und Fragen stellten und wir untereinander viel diskutierten. Letztlich wurde eine Tradition unterbrochen: Das „Bildungswochenende“ im Priesterseminar, an dem die Diplomarbeiten vorgestellt werden sollten, wurde abgesagt. Daraufhin bat mich der damalige Studentenpfarrer, meine Arbeit in der Studentengemeinde vorzustellen und statt der eher begrenzten Zahl Menschen im Priesterseminar, waren es an diesem Abend in der Studentengemeinde über 80 Menschen aus allen Bereichen der theologischen Fakultät und anderer Fakultäten. Das Interesse an diesem Thema ist bis heute groß, gerade dann, wenn es die Möglichkeit gibt, offen darüber und miteinander zu reden und zu diskutieren.


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