Читать книгу Gesammelte Aufsätze zur romanischen Philologie – Studienausgabe. Herausgegeben und ergänzt um Aufsätze, Primärbibliographie und Nachwort von Matthias Bormuth und Martin Vialon онлайн

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Christi Nachfolge oder Nachahmung ist ein durch viele Stellen des Neuen TestamentsNeues Testament begründetes, allen Christen gesetztes Ziel. In den ersten Jahrhunderten der kämpfenden Kirche, durch die Blutzeugenschaft der Märtyrer, ergab es sich, daß die Nachfolge nicht nur moralisch in der Befolgung der Gebote und Nachahmung der Tugenden, sondern auch existentiell, durch Erleiden des gleichen oder eines ähnlichen Martyriums geleistet wurde. Derart existentielle Formen der Nachfolge Christi, der Nachahmung seines Schicksals, sind auch nach dieser Epoche immer wieder erstrebt worden; sogar der Heldentod im Kampf gegen die Ungläubigen wurde als eine Form der Nachfolge empfunden. In der MystikMystik des 12. Jahrhunderts, vor allem wohl durch Bernhard von ClairvauxBernhard v. Clairvaux und seine cisterziensischenCisterzienser Schüler, bildete sich eine ekstatische Gesinnung, die durch Versenkung in das Leiden Christi, im wesentlichen also kontemplativ, eine existentielle Nachfolge des Heilands zu erreichen versuchte, und in der die innere Erfahrung der Passion, unio mystica passionalis, als höchste Stufe der kontemplativen Versenkung angesehen wurde. Franz von AssisiFranz v. Assisi ist insofern ein Fortsetzer der cisterziensischen Passionsmystik, als auch in seiner Gestalt, ja in ihr am stärksten, die Erfahrung der Passion als ultimo sigillo erscheint; aber der Weg dahin ist weit mehr als bei den CisterziensernCisterzienser aktiv und lebensmäßig – nicht in erster Linie auf Kontemplation, sondern auf Armut und Demut, auf der Nachahmung des armen und demütigen Lebens Christi ist die Nachfolge gegründet. Franz gab der mystischen Vergeistigung der Nachfolge eine unmittelbar auf der Schrift beruhende, unmittelbar jedem zugängliche und unmittelbar lebensmäßige Grundlage: eben die Nachfolge der praktischen Armut und Demut Christi. In dieser konkreten Erneuerung der existentiellen Nachfolge liegt auch die Begründung dafür, daß er von den Zeitgenossen als würdig des Stigmatisationswunders angesehen wurde; kein anderer hat den Gedanken der existentiellen Nachfolge so von Grund aus neubelebt wie er.

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