Читать книгу Gesammelte Aufsätze zur romanischen Philologie – Studienausgabe. Herausgegeben und ergänzt um Aufsätze, Primärbibliographie und Nachwort von Matthias Bormuth und Martin Vialon онлайн

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La sposa di colui ch’ad alte grida

Disposò lei col sangue benedetto

In sè sicura ed anche a lui più fida …

Das ist nicht mehr lieblich, das ist feierlich und erhaben; die ganze nachchristliche Weltgeschichte ist für DanteDante beschlossen in dem Bilde von der Braut, die zu ihrem Geliebten geht. Auch hier ist das Freudige, die jubelnde Bewegung des Hochzeitlichen sehr stark; zwar auch das Bittere der Qual jener Kreuzeshochzeit klingt auf; mit lautem Schrei, durch das heilige Blut ward sie vollzogen; aber nun «ist es vollbracht», und der Triumph Christi ist entschieden.

Das eine Mal lieblich, das zweite Mal feierlich-erhaben, beide Male voll hochzeitlicher Freude, stehen beide Vorankündigungen, ebenso wie die Sonnengeburt, ästhetisch in scharfem Gegensatz zu der Hochzeit, die sie vorbereiten. Schrill, mit einem Mißton, dem Streit mit dem Vater, den harten Reimworten guerra und morte beginnt dieses Fest. Und vollends die Braut: sie wird nicht genannt und nicht beschrieben, aber sie ist so, daß ihr niemand die Pforte der Lust öffnen will – ebensowenig wie dem Tode (la morte). Es erscheint mir durchaus erforderlich, das Eröffnen der Pforte der Lust im eigentlichsten Sinne, als geschlechtlichen Vorgang zu verstehen, porta also als Tor des weiblichen Körpers. Die andere, von manchen Kommentatoren vorgezogene Erklärung, daß es sich um das Tor des Hauses desjenigen handelt, der der Armut oder dem Tode den Eintritt verweigert, läßt sich zwar durch manche Stellen aus verschiedenen Texten stützen, wo gesagt wird, daß dem anpochenden Tod oder der anpochenden Armut niemand öffnen will; sie paßt aber nicht in den hochzeitlichen Zusammenhang und erklärt nicht ausreichend porta del piacere; DanteDante hätte überdies die so stark sich aufdrängende Möglichkeit der geschlechtlichen Erklärung gewiß vermieden, wenn er sie nicht eben ausdrücklich beabsichtigt hätte: sie paßt vollkommen zu dem konkreten Eindruck des Bitter-Abstoßenden, den er hier überhaupt hervorrufen will. Keiner also mag die Frau, die Franciscus sich erwählt hat, sie ist verachtet und gemieden, seit Jahrhunderten wartet sie vergeblich auf einen Liebhaber – einer der alten Kommentatoren, Jacopo della LanaJacopo della Lana, betont noch ausdrücklich, daß sie nie jemandem nein gesagt hat –, aber Franciscus, die aufgehende Sonne vom Berg Subasio, vereinigt sich öffentlich mit dieser Frau, deren Namen noch nicht genannt wird, deren Darstellung aber in jedem Hörer das Bild einer alten und verachteten, häßlichen und doch noch liebesdurstigen Dirne wecken muß. Seither liebt er sie von Tag zu Tag mehr. Seit mehr als einem Jahrtausend ist sie ihres ersten Gemahls (Christi, der aber noch nicht genannt wird) beraubt, inzwischen lebte sie verachtet und verlassen, bis Franciscus erschien; es hat ihr nichts genutzt, daß sie beim Besuch CaesarsCaesar ihrem damaligen Gefährten, dem Fischer Amiclates (nach LucanLukan) ruhige Sicherheit verlieh; auch nicht, daß sie, stark und mutig, mit Christus aufs Kreuz stieg, als selbst Maria unten blieb. Nun wird es freilich klar, um wen es sich handelt, und nun nennt Thomas auch den Namen; aber auch jetzt ist das Erhaben-Heroische der paupertaspaupertas nicht frei von einem grotesken und bitteren Beigeschmack. Daß eine Frau mit Christus aufs Kreuz steigt, ist schon eine etwas seltsame Vorstellung;3 noch seltsamer ist die Durchführung der Allegorie bei der Gewinnung der ersten Gefährten. Wie man auch den syntaktisch nicht ganz deutlichen Satz v. 76–78 verstehen mag, der allgemeine Sinn ist ganz klar: die einträchtige Liebesgemeinschaft in der Ehe zwischen Francesco und Povertà erregt bei anderen den Wunsch, an solchem Glücke teilzunehmen; zuerst legte Bernardo (von Quintavalle) seine Schuhe ab und begann «diesem Frieden nachzulaufen, und während er lief, schien er sich selbst noch allzu langsam»; dann ziehen auch Egidio und Silvestro die Schuhe aus und folgen dem sposo, dem jungen Gatten; so sehr gefällt ihnen die sposa!

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