Читать книгу Gesammelte Aufsätze zur romanischen Philologie – Studienausgabe. Herausgegeben und ergänzt um Aufsätze, Primärbibliographie und Nachwort von Matthias Bormuth und Martin Vialon онлайн

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Damit ist die Bedeutungsgeschichte von figurafigura in der heidnischen Antike abgeschlossen; einige grammatische, rhetorische und logische Weiterbildungen ergeben sich von selbst aus dem schon Gesagten und sind zum Teil auch schon erwähnt worden.17 18

Geschichtlich bedeutend wurde der Sinn, den die KirchenväterKirchenväter dem Wort auf Grund seiner auf den vorhergehenden Seiten beschriebenen Entwicklung zu geben vermochten.

II. «Figurafigura» als RealprophetieRealprophetie bei den KirchenväternKirchenväter

Die eigentümlich neue Bedeutung des Wortes in der christlichen Welt findet sich zuerst, und zwar sogleich sehr häufig, bei TertullianTertullian. Um ihren Inhalt zu entwickeln, sollen einige Stellen besprochen werden.

In der Schrift adversus Marcionem 3, 16 spricht TertullianTertullian von Hosea, dem Sohne Nuns, der von Moses Josua genannt wird (nach 4. Mos. 13, 16): … et incipit vocari Jesus … Hanc prius dicimus figuram futurorum fuisse. Nam quia Jesus Christus secundum populum, quod sumus nos, nati in saeculi desertis, introducturus erat in terram promissionis, melle et Jacte manantem, id est vitae aeternae possessionem, qua nihil dulcius; idque non per Moysen, id est, non per legis disciplinam, sed per Jesum, id est per evangelii gratiam provenire habebat (vulgärlat. Form für «geschehen sollte»), circumcisis nobis petrina acie, id est Christi praeceptis; Petra enim Christus; ideo is vir, qui in huius sacramenti imagines parabatur, etiam nominis dominici inauguratus est figura, Jesus cognominatus. Es handelt sich hier um die Namengebung Josua-Jesus als prophetischen Vorgang, der Späteres vorausverkündigt.19 So wie Josua, und nicht Moses, das Volk Israel ins gelobte Land Palästina führte, so führt Jesu Gnade, und nicht das jüdische Gesetz, das «zweite Volk» in das gelobte Land der ewigen Seligkeit. Der Mann, der als prophetische Vorankündigung dieses noch verborgenen Mysteriums auftrat, qui in huius sacramenti imagines parabatur, wurde unter der figurafigura des Gottesnamens eingeführt. Die Namengebung Josua-Jesus ist also eine RealprophetieRealprophetie oder vorausdeutende Gestalt des Zukünftigen; figurafigura ist etwas Wirkliches, Geschichtliches, welches etwas anderes, ebenfalls Wirkliches und Geschichtliches darstellt und ankündigt. Das gegenseitige Verhältnis der beiden Ereignisse wird durch eine Übereinstimmung oder Ähnlichkeit erkennbar; so sagt TertullianTertullian etwa adv. Marc. 5, 7: Quare Pascha Christus, si non Pascha figura Christi per similitudinem sanguinis salutaris et pecoris Christi? Oft genügen schattenhafte Ähnlichkeiten in der Struktur der Vorgänge oder in ihren Begleitumständen, um die figura erkennbar zu machen; es war ein bestimmter Interpretationswille erforderlich, um sie jeweils zu finden. So etwa, wenn ib. 3, 17 oder adv. Iudaeos 14 die beiden Opferböcke aus 3. Mos. 16, 7ff. als Figuren der ersten und zweiten Ankunft Christi gedeutet werden; oder wenn aus Adam als figura Christi Eva als figura Ecclesiae entwickelt wird, wie es De anima 43 (vgl. auch De monogamia 5) geschieht: Si enim Adam de Christo figuram dabat, somnus Adae mors erat Christi dormituri in mortem, ut de iniuria (Wunde) perinde lateris eius vera mater viventium figuraretur ecclesia.20 Über die Entstehung dieses Interpretationswillens werden wir noch sprechen. Die Art der Interpretation zielte darauf ab, die im Alten TestamentAltes Testament auftretenden Personen und Ereignisse als Figuren oder RealprophetienRealprophetie der Heilsgeschichte des Neuen zu deuten. Dabei ist zu beachten, daß TertullianTertullian ausdrücklich es ablehnt, die wörtliche und geschichtliche Geltung des Alten Testaments durch die FiguraldeutungFiguraldeutung zu entkräften. Es besteht vielmehr bei ihm eine entschiedene Abneigung gegen etwaige Übergriffe des SpiritualismusSpiritualismus; er will keineswegs das ATAltes Testament als bloße AllegorieAllegorie verstehen; überall habe es wörtlichen Wirklichkeitssinn, und auch da, wo es sich um figurale Prophetie handle, sei die Figur ebenso geschichtliche Wirklichkeit wie das durch sie Prophezeite. Die prophetische Figur ist sinnlich-geschichtliche Tatsache, und sie wird durch sinnlich-geschichtliche Tatsachen erfüllt: TertullianTertullian gebraucht hierfür den Ausdruck figuram implere (adv. Marc. 4, 40 figuram sanguinis sui salutaris implere) oder confirmare (de fuga in pers. 11 Christo confirmante figuras suas): wir wollen die beiden Ereignisse von nun an als Figur und Erfüllung bezeichnen.

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