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Dem gottesdienstlichen Ursprunge und Charakter entsprach auch die ganze äußere Erscheinung dieses Schauspiels. Gleich den Liturgien, aus denen sie hervorgegangen, bestanden sie in lateinischen Rezitativen, erst später wurden zur Erklärung und Erweiterung des Bibeltextes gereimte Verse in der Landessprache eingeschoben und gesprochen. Die Schauspieler waren Geistliche, der Schauplatz die Kirchen oder, wenn diese nicht Raum genug boten, die Kirch- und Klosterhöfe. Die Bühne selbst aber hatte gewöhnlich drei Stockwerke übereinander, von denen das obere und untere Himmel und Hölle, das mittlere die Erde vorstellte. Das gesamte Personal stand oder saß im Halbkreise auf der Bühne in der jedesmaligen Tracht der Zeit, nur Gott Vater, die Engel und Apostel in priesterlichen Gewändern, Christus als Bischof. Alle intonierten vor Beginn des Schauspiels das: veni sancte spiritus, worauf der »expositor ludi«, als Heiliger oder wohl auch als der »alte Heidenmann« Virgilius, mit den nötigen Aufklärungen über Zeit, Ort und Gegenstand das Spiel eröffnete und überhaupt die Stelle des Prologs und Chorführers vertrat, während die andern, wenn die Reihe an sie kam, aus jenem Halbkreise vortraten und dann wieder dahin zurückkehrten, die Chorknaben aber die geistlichen Zwischengesänge ausführten. Die Vorstellung, meist an den Nachmittagen, dauerte oft mehrere Tage (Tagewerke) und bedurfte besonders in der späteren Zeit eines sehr zahlreichen Personals; ja ein im Jahre 1498 zu Frankfurt gegebenes Passionsspiel hat nicht weniger als zweihundertfünfundsechzig Personen. Wie volksmäßig aber diese Stücke geworden, bezeugt schon der Umstand, daß sie, gleich dem alten Epos, nicht aufgeschrieben wurden, sondern als Nationalgut traditionell von Geschlecht zu Geschlecht sich forterbten. Daher sind auch, außer einigen Oster- und Heiligenspielen, grade von den gangbarsten, den Passionsspielen, bis jetzt nur drei vollständige Texte aufgefunden, während wir von anderen lediglich einige sogenannte Spielbücher besitzen, welche bloß im allgemeinen den Gang des Stückes und die Anfänge und Stichworte der Reden angeben.

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