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Das Charakteristische der Gottfriedschen Schule aber ist eben die laxe weltmännische Lebensansicht des Meisters, die mit Sage und Heldentum nichts mehr anzufangen weiß, daher am liebsten nach gewöhnlichen, ja gemeinen Stoffen greift und, um das Kleine groß zu machen, allen Nachdruck fast ausschließlich auf eine geleckte Form der Darstellung legt. Die Dichter, da sie nichts Bedeutendes aus der Geisterwelt zu offenbaren haben, dichten nicht mehr aus innerem Bedürfnis, sie wollen geständlich nicht belehren oder erheben, sondern nur angenehm unterhalten. Kein Wunder daher, daß die Besseren unter ihnen allmählich ein Überdruß und Verzagen an der Würdigkeit ihrer Kunst überkommt und häufig in laute Klagen ausbricht.

So ist Heinrich von dem Türlin in seinem Gedicht von der (Abentiure) Krone schamlos bemüht, die schlanken Gottfriedschen Umrisse der sinnlichen Liebe ganz ins Nackte und Feiste herauszuarbeiten, und in der Heidin (angeblich von Rüdiger von Hindihofen) bildet das alles schon den Kern und Zweck des Ganzen, bis nach und nach der trübe Strom, allen Schlamm aufwühlend, in farbigen Schiller der Fäulnis ausläuft. – Nichts von alledem enthält Flore und Blancheflur von Konrad Flecke, die unschuldige, einfache Geschichte von der Jugendliebe zweier Kinder; dafür drängt sich hier die breite Gemütlichkeit, Schwäche und Weichlichkeit Gottfrieds, die dieser im Tristan noch liebenswürdig zu machen verstand, unangenehm in den Vordergrund. Die artigen Kinder wissen schon in ihrem fünften Jahre den ganzen Katechismus der Liebe auswendig, sie dichten und sprechen nur von Minne, Blumen und Vögelein, und der Knabe, da sie dann getrennt werden, fällt in Ohnmacht, während das Mädchen sich mit ihrem Griffel erstechen will; Szenen, die fast schon an die spätere Liebeskarikatur Siegwarts erinnern. – Dagegen hat Konrad von Würzburg vorzüglich und mit großem Glück und Geschick die formale Seite Gottfrieds erfaßt; seine meisterhaft gereimten Erzählungen gehen fast in lauter Duft und Blumen auf, während in seinem »Schwanritter« der abenteuerliche Stoff mit seinen noch etwas altfränkisch eckigen Gliedern überall das neue, knappe und elegante Kleid aus den Nähten zu reißen droht. – Rudolf von Ems endlich ist allerdings nichts weniger als frivol, folgt aber getreulich der von Gottfried eingeschlagenen Bahn von den Gipfeln des Lebens ins platte Land. Sein »Wilhelm von Orleans« handelt, unter Beseitigung alles Wunderbaren, von den gewöhnlichsten und prosaischsten Verhältnissen der Gegenwart, von Haus und Hof, guter Wirtschaft und anderen nützlichen Dingen; und der trockene, aber wackergesinnte Dichter hat sonach ganz recht, wenn er zuletzt selbst darüber stutzig wird und die lügenhaften Mären bereut, die er früher im lieben Wahn auf Ehre und Ruhm mit sündhaftem Munde gedichtet.

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