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Man sieht, wir sind hier unversehens bereits in eine ganz andere Luftschicht geraten, das Rittertum steigt allgemach von seinen Felsenburgen zu den Meierhöfen der Niederungen herab, um fein ordentlich Junkertum zu treiben. Diese Unterhaltungsdichter bilden schon sichtbar den Übergang zu unserem modernen Roman, während die aufgelösten Elemente des alten Epos, einzeln und mannigfach zerstreut, sich vor dem abtrünnigen Adel in die sogenannten Volksbücher flüchten. Es scheint daher der geeignete Ort, diesen auch in seiner Unförmlichkeit noch höchst interessanten Ausgang hier etwas näher ins Auge zu fassen.

Unter diesen Volksbüchern machen sich nun zunächst verschiedene Gruppen bemerklich, in denen sich jene Elemente, die in den älteren Gedichten mehr oder minder ein organisches Ganze bilden, einzeln abgelagert haben. So ist von dem noch halbheidnischen Urgebirge der Nibelungen fast nur eine einzige Felsenzacke, die wilde Kraft des hörnernen Siegfrieds übriggeblieben, wie er seinen Vater Sieghard verläßt, im Walde den Drachen tötet, mit dessen Fett er sich bestreicht, daß von dem erstarrenden Drachenblute sich ihm der ganze Leib, nur zwischen den Achseln nicht, mit einer Horndecke überzieht; und wie er dann des Königs Gilibaldus Tochter, die ein Drache entführt hatte, errettet, sie zur Ehe nimmt und endlich vom grimmen Hagenwald an der Quelle erschlagen und in der Folge von seiner Gattin gerächt wird: alles in bloßen schmucklosen, aber sicheren und kräftigen Umrissen. – Auch aus dem karolingischen Sagenkreise wird nur der weltliche Teil im Kaiser Octavian und vorzüglich in der Historie von den vier Haimonskindern repräsentiert: der furchtbare Vasallentrotz gegen den gleich eisernen Kaiser Karl neben rührender Treue; der gutmütige, ehrliche Held Reinhold mit seinen ungeheueren Leidenschaften, mit seiner Klinge Florenberg und dem Heldenrosse Bayard, daneben seine drei tapferen Brüder und sein Vetter, der schlaue Nekromante Malagys; gleichsam nur ein verfärbtes Abbild des wilden, man möchte sagen, mit Blut geschriebenen Gedichts von den älteren Haimonskindern oder Reinhold von Montalban. – Das unmittelbar Kirchliche und Legendarische dagegen erscheint hier nicht mehr in seiner großen symbolischen Auffassung, sondern nur in einzelnen Gestalten, in der Geschichte der seligen Euphemia, der heiligen Pfalzgräfin Genoveva und vor allen in unseres Herrn Jesu Christi Kinderbuch (Beschreibung der Kindheit Jesu, der Flucht nach Ägypten usw.), einer wunderlieblichen »Idylle in der Religion«, wie es Görres nennt, welche zwar zunächst dem Leben Marias und Christus' vom Kartäusermönch Philippus (im 13. Jahrhundert) nachgebildet ist, aber ursprünglich zu den alten apokryphischen Schriften gehört, die schon Papst Gelasius I. im Jahre 495 von den echten heiligen Büchern schied. – Die Wunderwelt der alten Dichtungen aber wird hier durch eine besonders reichhaltige Gruppe vertreten. In der Reise des engelländischen Ritters Johannis de Montevilla sind fast alle Wunderdinge, die Alexander der Große auf seinem sagenhaften Zuge angetroffen, mit eingeflochten: das Paradies im fernen Indien auf dem Berge von Adamanten, der bis zum Monde reicht; das Höllental, über welchem der Teufel in Gestalt eines grauenvollen Hauptes schwebt; das dunkle Land, aus dem beständig Menschenstimmen tönen, der goldene Baum mit den künstlichen Vögeln, der Vogel Phönix, die Amazonen usw. Hierher gehört auch der einer Erzählung in den »Gesta Romanorum« entlehnte Fortunatus mit seinem Säckel und Wünschhütlein, sowie die aus dem gleichnamigen Gedichte Heinrichs von Veldeke in Prosa aufgelöste Historie vom Herzog in Bayern und Österreich, der von seinem Vater, dem Kaiser Otto, aus seinem Lande verjagt wird, nach Jerusalem wallfahrtet, Schiffbruch am Magnetberge leidet, auf einem Floß durch den Karfunkelberg fährt und in Indien für die Pygmäen gegen das Volk der Kraniche ficht. Dagegen haben aus der in den Kreuzzügen eroberten orientalischen Feenwelt die Erd-, Luft- und Feuergeister, wie eine leichte Luftspiegelung, die jeder Hauch phantastisch wandelt, sich im »Schloß der afrikanischen Höhle Xaxa« angesiedelt. Diese Feenwelt wird aber in ihrer neuen Heimat durch ein tiefes religiöses Gefühl gehoben, von dem liebevollen Bestreben nämlich, gleichsam aus Schmerz und Mitleid mit ihrer heidnischen Schönheit, dieselbe menschlich und christlich und somit der ewigen Seligkeit teilhaftig zu machen. Ein Zug, der namentlich der bekannten Historie von der schönen Melusine einen so eigentümlich rührenden Reiz verleiht: wie sie, von irdischer Liebe bezwungen, sich treu und fromm zu den Menschen gesellt und dennoch, durch menschlichen Vorwitz verscheucht und einem geheimnisvollen Naturgesetz folgend, zuletzt von Gatten und Kindern scheiden und unter herzzerreißender Wehklage wieder in das Feenreich zurückkehren muß. Das schöne Thema wiederholt sich noch in manchen anderen Volkssagen, z.B. vom Donauweibchen. Jenes Volksbuch selbst aber ist aus einem altfranzösischen, schon im 14. Jahrhundert von Jean d'Arras verfaßten und 1500 in Paris gedruckten Gedicht, dieses aber wiederum aus einer uralten Familiensage entstanden, wonach die Melusina noch oft in Witwenkleidern erscheint und jeden Samstag um die Vesperzeit sich badet, halb als schönes Weib und halb als Schlange, oder auch, wie die spätere weiße Frau, sich am Fenster des Turmes zeigt, einen furchtbaren scharfen Schrei ausstoßend, wenn ihre Nachkommen oder dem Lande ein großes Unglück bevorsteht. – Die einfältige fromme Schönheit der alten Minne endlich nimmt rührend Abschied von uns in der Magelone.

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