Читать книгу Geschichte der poetischen Literatur Deutschlands онлайн

92 страница из 96

Aber die Scheidung von ursprünglich Verwandtem geschieht nirgends, ohne einen nachhaltigen moralischen Stachel im Innern zurückzulassen. Auch das exkommunizierte Zwischenspiel vergalt den geistlichen Bann mit heimlichem Groll. Dieser Groll war zwar anfangs noch keineswegs unmittelbar gegen den Glauben und die Kirche, um so schlagfertiger aber gegen alles Höhere im äußeren Leben gerichtet, das sich im Mittelalter auf der Grundlage der Kirche aufgebaut hatte. Und so sehen wir denn in dieser Übergangsperiode auch beim Drama dieselbe Erscheinung wie bei dem Epischen und Lyrischen: eine vorerst noch kaum sich selbst bewußte und daher harmlos lustige und ergötzliche Negation des Rittertums, seiner Tugenden, seiner Tapferkeit, seiner Minne und seiner Übertreibungen; nur daß hier die Stelle des Eulenspiegels und seiner Gesellen durch den Hanswurst vertreten wird, dessen Charakter weder polemisch noch satirisch, sondern durchaus parodisch ist.

Mit dem Wesen der Poesie mußte sich notwendig auch die Form nach und nach verwandeln, die ja selbst hier ein Teil des Wesens ist. In der allgemeinen Herabstimmung entstand aus dem singbaren Liede das gesprochene Gedicht, und aus der Rhetorik des gesprochenen: die poetische Prosa, ein zwitterhaftes Mittelding, das man auch wohl prosaische Poesie nennen könnte. Die Phantasie, welche alles Gewöhnliche und Wirkliche in eine höhere Region emporzuheben strebt und daher auch in ihrem Ausdruck luftig und ungewöhnlich ist, hatte wegen zunehmender Alterschwäche ihre Herrschaft allmählich an den Verstand abgetreten, dessen massiver Boden eben die praktische Wirklichkeit ist. Die Sprache der Phantasie aber ist die geheimnisvolle Musik des Verses, die Sprache des Verstandes die Prosa.

Правообладателям