Читать книгу Kunst des Lebens, Kunst des Sterbens. Wie wir den Traum von Ich und Welt mit Achtsamkeit, Mitempfinden und offenem Gewahrsein meistern und befreiende Luzidität erlangen können онлайн

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Eine einsichtsvolle Zurückhaltung in Bezug auf den Hochmut des Denkens, Benennens und Urteilens, wie sie aufleuchtet im Wort des Angelus Silesius: »Ich weiß nicht, was ich bin, und ich bin nicht, was ich weiß«, ist also immer angebracht. Stillesein, Rezeptivität, Einfühlungsvermögen, Nichturteilen und Zuhörenkönnen sind Qualitäten der klar erkennenden Natur des Geistes, die das Wesen der Dinge intuitiv und nonverbal unterscheiden und verstehen kann.


Wenn ein Therapeut sich selbst vergessen und sein Rat und Hilfe suchendes Gegenüber so ohne Vorbehalte und Vorwissen annehmen und empfangen kann wie ein leerer und klarer Spiegel, so sind die idealen Voraussetzungen für eine einfühlsam-mitfühlende, intuitive Erkenntnis des imaginären Problemzusammenhangs seitens des Therapeuten und für ein vertrauendes Sichöffnen, befreiendes Erkennen und Loslassen seitens des Hilfesuchenden gegeben. Mit nichturteilendem Gewahrsein werden die psychischen Probleme des Gegenübers zwar mitfühlend als wirksam anerkannt und betrachtet, aber es wird ihnen keine Wirklichkeit zugestanden, indem man sie weiter konzeptualisiert und mit Aufmerksamkeit auflädt. Entsprechend dem wundervollen Diktum des Mahasiddha Tilopa – »Wisse, mein Schüler, nicht die Erfahrungen binden dich, sondern nur dein Anhaften an ihnen« –, kann sowohl die Vergänglichkeit eines jeden gedanklichen Konstrukts aufgezeigt werden wie auch die Möglichkeit, einschränkenden, selbstreferenziellen Vorstellungen und Strukturen keine Aufmerksamkeit mehr zu widmen und die Aufmerksamkeit stattdessen auf heilsame, selbsttranszendierende Ideen zu lenken.

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