Читать книгу Kulturtheorie. Einführung in Schlüsseltexte der Kulturwissenschaften онлайн

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Zornig ist der junge Philosoph – was hier vor sich geht, ist ein klassischer Generationsbruch – aber auch auf die AufklärungAufklärung, aufklärungs-, weil sie blind ist, weil sie die Konkretheit und VielfaltVielfalt dieser Welt übergeht. Sie hat keinen Blick für die Fülle der sichtbaren Phänomene in RaumRaum und ZeitZeit. Gegen die Abstraktion seiner theoretischen Gegner setzt HerderHerder, Johann G. auf ein sinnliches Denken:

[…] ein Gewirre von Szenen, Völkern, Zeitläufen – lies erst und lerne sehen! Übrigens weiß ich’s wie du, dass jedes allgemeine BildBild, jeder allgemeine Begriff nur Abstraktion sei – der Schöpfer allein ist’s, der die ganze Einheit, einer, aller NationenNation, Nationalismus, national in ihrer Mannigfaltigkeit denkt, ohne dass ihm dadurch die Einheit schwinde.21

In der frühen Streitschrift wird bereits der Grundriss von HerdersHerder, Johann G. späterer Denkarchitektur sichtbar. So impliziert die Kritik am BildBild der finsteren Vergangenheit seitens der AufklärungAufklärung, aufklärungs- einen dezidierten historischen und kulturellen RelativismusRelativismus, relativ. Die ZeitZeit kann ebenso wenig wie der RaumRaum als ein Gradmesser für den ‚FortschrittFortschritt‘ angesehen werden. Eine gewisse Unentschiedenheit ist indes beim frühen HerderHerder, Johann G. nicht zu übersehen. Es ist nicht ganz klar, ob HerderHerder, Johann G. die Bewertung etwa des Mittelalters durch die Aufklärung konkret ablehnt oder ob er derartige Beurteilungen im Hinblick auf Kulturen generell für problematisch hält. Offenkundig beides. Daraus folgt ein zweiter Kritikpunkt: Die Aufklärung privilegiert sich historisch, sie nimmt sich zu wichtig, sie ist das OpferOpfer einer perspektivischen (Selbst-)Täuschung. Sie konstituiert sich als zeitliche Zentralperspektive, von der aus der Ablauf der GeschichteGeschichte aus konstruiert wird. In HerdersHerder, Johann G. Abrechnung mit dem UniversalismusUniversalismus spielt schon ein Motiv herein, dass heute, gerade im Bereich der Cultural StudiesCultural Studies von großer Bedeutung ist: der Vorwurf des Ethnozentrismus, der Verabsolutierung der eigenen kulturellen Werte, die zum Maßstab der Bewertung aller Kulturen erhoben werden (→ Kap. 12). Mit dem universalen Narrativ (→ Kap. 13) vom Fortschritt der Menschheit hat der Westen zum ersten Mal einen scheinbar objektivenobjektiv, Objektiv- Maßstab gefunden, an dem sich die Rückschrittlichkeit und Fortschrittlichkeit aller Kulturen ‚exakt‘ bemessen lässt. Demgegenüber beharrt HerderHerder, Johann G. darauf, dass jede Kultur ihre eigenen Maßstäbe in sich trage und nur aus diesen heraus verstanden und gewürdigt werden könne. Wiederholt kritisiert der Autor, dass seine Epoche andere, räumlich oder zeitlich entfernte Kulturen an ihren eigenen, aufklärerischen Idealen messe.

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