Читать книгу Kulturtheorie. Einführung in Schlüsseltexte der Kulturwissenschaften онлайн

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Aus heutiger Sicht lässt sich HerderHerder, Johann G. als Theoretiker dadurch anschaulicher machen, dass man ihn mit einem Ökologen vergleicht, der den Schwund der Artenvielfalt in der NaturNatur beklagt und theoretische wie praktische Schritte setzt, die Mannigfaltigkeit der Erde zu erhalten. HerderHerder, Johann G. ist ein Ökologe der Kulturen, der die VielfaltVielfalt nicht als Hindernis, sondern als Voraussetzung für ein friedliches Miteinander sieht. Oder anders ausgedrückt: Vielfalt gilt ihm als ethischer, ästhetischer und kultureller Wert. Weltkultur bedeutet demnach Vielfalt in der Einheit, Einheit in Vielfalt (heute ein Leitspruch der Europäischen Union). Offenkundig legitimiert sich die hohe Wertigkeit der Vielfalt dadurch, dass sie Vervollkommnung ermöglicht. Aber schwierig bleibt immerhin der ethische Grenzkonflikt: Was, wenn der Wert der Vielfalt in Konflikt gerät mit anderen Werten, die wir zumeist mit den Menschenrechten in Verbindung bringen? HerdersHerder, Johann G. Kulturökologie hat praktische Folgen gezeitigt, auch bedenkliche. Der Denker auf dem philosophischen Nebengleis wurde zum Promotor der Erhaltung des Kulturguts der bedrohten, damals staatenlosen Völker etwa in Osteuropa. HerderHerder, Johann G. geht es aber nicht so sehr darum, diese zum politischen SubjektSubjekt zu erheben, sondern vielmehr um die Rettung untergehender Volkskulturen, deren Produkte liebevoll gesammelt werden, um sie dem Vergessen zu entreißen. Im ZentrumZentrum steht die Sammlung ihrer Liedkultur und die Bewahrung ihrer SpracheSprache. Mit dieser Geste nimmt HerderHerder, Johann G. vorweg, was Heerscharen von Volkskundlern, Sprach- und Märchenforschern im 19. Jahrhundert tun werden. Ihre emsige philologische Sammeltätigkeit geht Hand in Hand mit jenem kulturellen Projekt, das wir mit Benedict AndersonAnderson, Benedict als Erfindung der NationNation, Nationalismus, national bezeichnen können.22 NietzscheNietzsche, Friedrich hat diese antiquarischen Historiker in seinen Unzeitgemäßen Betrachtungen mit bösem Spott übergossen, aber er hat vergessen, welch eminent un-antiquarische und durchaus unselige Wirkungen diese Kultur- und Volksökologen gehabt haben.23 HerderHerder, Johann G. und auch schon VicoVico, Giambattista sind von der inneren Einheitlichkeit (Homogenität) von Kulturen ausgegangen. Vielfalt von Kulturen gibt es immer nur auf einer globalenGlobalisierung, global Ebene; die einzelnen nationalen Kulturen, historische und geographische Versionen von Kultur I, werden mehr oder weniger als kompakt angesehen. Der Begriff Volksseele wurde eigentlich erst nach HerderHerder, Johann G. geprägt, aber er bildet das unausgesprochene ZentrumZentrum von HerdersHerder, Johann G. Kulturkonzept. In dieser Metaphysik verschmilzt der Begriff Kultur und Volk zur meta-politischen Kategorie des Kulturvolkes. Jedes von ihnen ist unverwechselbar und klar abgegrenzt vom jeweils anderen. Nur so kann die einzelne Kultur einen Beitrag zur gesamten menschlichen Kultur leisten.

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