Читать книгу Auf nach Wien. Kulturhistorische Streifzüge онлайн
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Es war die lichtmäßige Inbesitznahme der ganzen Stadt, die Massen an Besuchern anzog und eine regelrechte Lichteuphorie auslöste. Unmittelbar danach wurden bereits die ersten Erinnerungsbilder propagandistisch verbreitet und Ansichtskarten mit Nachtmotiven zum Verkauf angeboten. Die k. k. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien hatte sich – wie nie zuvor – als strahlende Metropole des Lichts positioniert.
»Kein Fest mehr ohne Lichtfreude.« Dieses Motto sollte dann auch bei politischen Veranstaltungen der Zwischenkriegszeit zur Selbstverständlichkeit werden. Schon die Feier zur Eröffnung des für die Wiener Stromversorgung wichtigen Kraftwerks in Opponitz am 1. Jänner 1925 wurde von einer aufwändigen Lichtinszenierung begleitet. Diese verstand sich als politisches Statement für die wachsende Kraft der Sozialdemokratie und die Potenz einer Stadt, die eben erst zu einem eigenen Bundesland erhoben worden war. Im Zentrum des Spektakels stand die politische Machtzentrale, das Rathaus, welches an diesem Abend gleich zweimal (zwischen 17 und 18 Uhr sowie zwischen 20 und 21 Uhr) im Lichterglanz erstrahlte. Schon am Nachmittag setzte, so die »Neue Freie Presse«, eine »Völkerwanderung« Richtung Rathausplatz ein, ehe die eigentliche Lichtshow begann: »Da zerreißt der Lichtkegel eines auf dem Rathausplatze aufgestellten Scheinwerfers die Finsternis, taucht die Turmspitze und den eisernen Rathausmann in silberweißes Licht. Gleich darauf flammen auf dem Turm blendendweiße Lampen auf, das Dach strahlt in einem Lichtermeer, mit feurigen Zungen greift das Licht nach immer neuen Loggien und Pfeilern des gotischen Palastes, sie aus dem Dunkel reißend. Und jetzt ist die ganze Fassade des Rathauses mit allen Türmchen, Arkaden und dem reichgegliederten Zierrat von Lichtern übersät, die wie Edelsteine funkeln. Auch von den beiden Ecktürmchen des Rathauses senden zwei Schweinwerfer Lichtbrücken zur Turmspitze hinauf, und der Himmel strahlt im Widerschein des funkelnden Palastes.«